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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Bilde entschlüpfen ließ‹, sagte sich der Fürst, während er nach dem Arbeitszimmer ging, und fühlte dabei einige Gewissensbisse. ›Aber ... vielleicht habe ich gut daran getan, daß ich davon anfing ...‹
    Es ging ihm ein sonderbarer, noch nicht ganz klarer Gedanke durch den Kopf.
    Gawrila Ardalionowitsch saß noch im Arbeitszimmer und war in seine Papiere vertieft. Er schien in der Tat sein Gehalt von der Aktiengesellschaft nicht ohne Gegenleistung zu beziehen. Er wurde furchtbar verlegen, als der Fürst nach dem Bild fragte und erzählte, auf welche Weise die Damen von diesem Bild etwas erfahren hatten.
    »Donnerwetter! Wozu mußten Sie davon schwatzen?« rief er in grimmigem Ärger. »Sie verstehen ja nichts davon ... Idiot!« murmelte er vor sich hin.
    »Verzeihung, ich habe es gesagt, ohne mir etwas dabei zu denken. Das Gespräch kam zufällig darauf. Ich sagte, Aglaja sei fast ebenso schön wie Nastasja Filippowna.«
    Ganja bat ihn, ihm über das Gespräch Genaueres mitzuteilen, und der Fürst erzählte. Ganja sah ihn wieder spöttisch an.
    »Ich möchte wissen, was Sie sich um Nastasja Filippowna ...«, murmelte er, versank aber, ohne den Satz zu beenden, in Gedanken.
    Er war in sichtlicher Unruhe. Der Fürst erinnerte ihn an das Bild.
    »Hören Sie, Fürst«, sagte Ganja auf einmal, wie wenn ein plötzlicher Gedanke in seinem Kopf aufleuchtete, »ich habe eine große Bitte an Sie ... Aber ich weiß wirklich nicht ...«
    Er wurde verwirrt und sprach den begonnenen Satz nicht zu Ende. Es schien, als ob er einen Entschluß fassen wolle, aber mit sich selbst kämpfe. Der Fürst wartete schweigend. Ganja sah ihn noch einmal mit einem forschenden, durchdringenden Blick an.
    »Fürst«, begann er von neuem, »man ist dort auf mich augenblicklich ... infolge eines ganz sonderbaren Umstandes ... an dem ich keine Schuld trage ... nun kurz, das gehört nicht hierher ... man ist dort auf mich, wie es scheint, ein wenig böse, so daß ich für einige Zeit nicht ohne besondere Der Fürst ging sehr nachdenklich zurück; der Auftrag war ihm unangenehm, unangenehm war ihm auch der Gedanke, daß Ganja mit Aglaja in Korrespondenz stand. Aber als er noch zwei Zimmer zu passieren hatte, um wieder in den Salon zu gelangen, blieb er plötzlich stehen, als ob ihm etwas einfiele, blickte sich um, trat ans Fenster, recht nahe an das Licht, und begann Nastasja Filippownas Bild zu betrachten.
    Er hätte gern etwas enträtselt, was in diesem Gesicht verborgen lag und ihn vorhin frappiert hatte. Der Eindruck von vorhin war in ihm haftengeblieben, und er beeilte sich jetzt, ihn von neuem nachzuprüfen. Dieses durch seine Schönheit und noch durch etwas anderes auffallende Gesicht übte jetzt auf ihn eine noch stärkere Wirkung aus. Ein grenzenloser Stolz, eine grenzenlose Verachtung, die fast wie Haß aussah, lagen in diesem Gesicht und zu gleicher Zeit etwas Zutrauliches, erstaunlich Offenherziges; dieser Kontrast erweckte bei dem, der diese Züge betrachtete, sogar ein gewisses Mitleid. Diese blendende Schönheit war geradezu unerträglich, die Schönheit des blassen Gesichts, der fast eingefallenen Wangen und glühenden Augen – eine seltsame Schönheit! Der Fürst betrachtete das Bild wohl eine Minute lang; dann zuckte er auf einmal zusammen, blickte rings um sich, führte das Bild eilig an seine Lippen und küßte es. Als er einen Augenblick darauf in den Salon trat, war sein Gesicht wieder vollkommen ruhig.
    Aber als er in das Eßzimmer gelangte, das noch durch ein Zimmer vom Salon getrennt war, stieß er in der Tür beinahe mit der herauskommenden Aglaja zusammen. Sie war allein.
    »Gawrila Ardalionowitsch hat mich gebeten, Ihnen dies hier zu übergeben«, sagte der Fürst, indem er ihr das Billett hinreichte.
    Aglaja blieb stehen, nahm das Billett und blickte den Fürsten seltsam an. In ihrem Blick lag nicht die geringste Verlegenheit, nur ein gewisses Erstaunen mochte daraus hervorschimmern, und auch dieses Erstaunen schien sich nur auf den Fürsten zu beziehen. Aglaja forderte durch ihren Blick von ihm gleichsam Rechenschaft darüber, wie es zugehe, daß er in dieser Angelegenheit mit Ganja im »Rufe Gawrila Ardalionowitsch her, er ist im Arbeitszimmer«, befahl sie dem eintretenden Diener.
    »Aber maman!« rief Alexandra mit bedeutsamer Betonung.
    »Ich will ihm nur ein paar Worte sagen, und damit basta!« erklärte die Generalin schnell in bestimmtem, scharfem Ton, der jede Widerrede abschnitt. Sie befand sich offenbar

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