Der Idiot
Angelegenheit... es ist schwer, das auszudrücken, aber...«
»Nun, welcher Art Ihre Angelegenheit genauer ist, das ist ja Ihre Sache; mir geht es vor allem darum, daß Sie sich da heute abend nicht einfach in die entzückende Gesellschaft von Kameliendamen, Generälen und Halsabschneidern eindrängen wollen. Wenn das Ihre Absicht wäre, dann würde ich – verzeihen Sie, Fürst – Sie auslachen und verachten. Hier gibt es sehr wenig ehrenhafte Leute, und man kann eigentlich niemanden so recht von Herzen hochachten. Unwillkürlich gewöhnt man sich da, von oben auf sie herabzublicken, und dabei wollen sie doch alle respektiert sein, Warja in erster Linie. Und haben Sie wohl bemerkt, Fürst: in unserm Zeitalter sind alle Menschen Abenteurer! Ganz besonders bei uns in Rußland, in unserm lieben Vaterland. Und wie sich das alles so herausgebildet hat, das ist mir unbegreiflich. Alles schien so fest und solide zu sein; und jetzt? Da reden und schreiben nun die Leute überall. Sie decken Mißstände auf. Alle Leute sind bei uns damit beschäftigt, Übelstände aufzudecken. Die Eltern sind die ersten, die den Rückzug antreten und sich ihrer früheren moralischen Grundsätze schämen. In Moskau hat ein Vater seinem Sohn als Lebensregel aufgestellt, vor nichts zurückzuschrecken, wo es sich darum handelt, Geld zu verdienen; die Sache ist bekanntlich in der Presse besprochen worden. Sehen Sie meinen Vater, den General, an! Was ist aus ihm geworden? Übrigens, wissen Sie was? Mir scheint, daß er ein ehrenhafter Mann ist, wahrhaftig, das glaube ich! Es liegt bei ihm nur an einer gewissen Lässigkeit und am Trinken. Wahrhaftig, so ist es. Er tut mir sogar leid, nur fürchte ich mich, das auszusprechen, weil mich sonst alle auslachen, aber wahrhaftig, er tut mir leid. Und was ist an ihnen, den Klugen, dran? Sie sind sämtlich Wucherer, alle ohne Ausnahme! Ippolit verteidigt den Wucher; er sagt, der sei eine Notwendigkeit, eine wirtschaftliche Erschütterung, eine Art Ebbe und Flut, hol's der Teufel! Mir mißfällt das sehr an ihm, aber er bleibt erbittert bei seiner Meinung. Denken Sie nur, seine Mutter, die Frau Hauptmann, bekommt Geld von meinem Vater und leiht es ihm dann wieder zu hohen Prozenten, ein ganz schändliches Benehmen! Und wissen Sie, daß die Mama, das heißt meine Mama, Nina Alexandrowna, Ippolit mit Geld, Kleidungsstücken, Wäsche und allem möglichen unterstützt und durch ihn zum Teil sogar auch die andern Kinder, weil die von ihrer Mutter vollständig vernachlässigt werden? Und Warja tut dasselbe.«
»Nun, sehen Sie wohl, Sie sagten, es gebe keine ehrenhaften, sittlich starken Menschen und alle seien Wucherer; da haben Sie ja nun gleich ein paar sittlich starke Menschen: Ihre Mutter und Warja. Hier zu helfen, unter solchen Umständen zu helfen, ist das etwa kein Zeichen sittlicher Kraft?«
»Warja tut es aus Ehrgeiz, aus Prahlsucht, um nicht hinter der Mutter zurückzubleiben; na, aber Mama, die tut es wirklich... ich empfinde gegen sie Hochachtung. Ja, ich billige und achte eine solche Handlungsweise. Sogar Ippolit hat ein Gefühl dafür, aber er ist fast ganz verbittert. Zuerst wollte er sich darüber lustig machen und nannte es von Mamas Seite eine Gemeinheit, aber jetzt urteilt er manchmal doch anders darüber. Hm! Also Sie nennen das sittliche Kraft? Das will ich mir merken. Ganja weiß nichts davon, sonst würde er es Nachgiebigkeit nennen.«
»Ganja weiß nichts davon? Es scheint, daß Ganja auch sonst sehr vieles nicht weiß«, entfuhr es unwillkürlich dem Fürsten, der sehr nachdenklich geworden war.
»Und wissen Sie, Fürst: Sie gefallen mir sehr. Ihr Verhalten vorhin Ganja gegenüber kommt mir gar nicht aus dem Sinn.«
»Auch Sie gefallen mir sehr, Kolja.«
»Hören Sie mal, wie beabsichtigen Sie Ihr Leben hier einzurichten? Ich werde mir bald eine Beschäftigung verschaffen und etwas verdienen, dann könnten ja wir drei, ich, Sie und Ippolit, uns eine gemeinsame Wohnung mieten und zusammen leben, und meinen Vater würden wir dann zu uns nehmen.«
»Mit dem größten Vergnügen. Aber darüber können wir erst später reden. Ich bin jetzt sehr... sehr zerstreut. Wie? Sind wir schon da? In diesem Haus? ... Das ist ja ein großartiges Portal! Und ein Portier! Nun, Kolja, ich weiß nicht, was daraus werden soll.«
Der Fürst stand ganz fassungslos da.
»Morgen werden Sie mir alles erzählen! Seien Sie nur nicht zu schüchtern! Ich wünsche Ihnen von Herzen guten Erfolg, denn ich bin in
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