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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Wendy auch. Das Kinderzimmer ist ihr ein und alles.«
    »Es muß abgeschlossen werden, etwas anderes kommt nicht in Frage.«
    »Also gut.« Widerwillig schloß er die mächtige Tür ab. »Du hast zu viel gearbeitet. Du brauchst Erholung.«
    »Ich weiß nicht – ich weiß nicht«, erwiderte sie, putzte sich die Nase und setzte sich in einen Stuhl, der sofort zu schaukeln und sie zu beruhigen begann. »Vielleicht habe ich einfach nicht genug zu tun. Vielleicht habe ich zu viel Zeit zum Nachdenken. Warum schließen wir nicht das ganze Haus ein paar Tage ab und machen Ferien?«
    »Du meinst, du möchtest für mich das Essen kochen?«
    »Ja.« Sie nickte.
    »Und meine Socken stopfen?«
    »Ja.« Ungestüm nickend, sah sie ihn aus tränenden Augen an.
    »Und das Haus sauber machen?«
    »Ja, ja – oh ja!«
    »Aber ich denke doch, wir haben dieses Haus gerade deshalb gekauft, damit wir nichts selbst zu tun brauchen?«
    »Das ist es eben. Ich komme mir vor, als ob ich nicht hierher gehöre. Das Haus ist jetzt Hausfrau, Mutter und Kindermädchen. Kann ich mit einer afrikanischen Steppe konkurrieren? Kann ich die Kinder so gründlich und schnell baden und abschrubben, wie es unser automatisches Bad tut? Ich kann es nicht. Und mir geht es nicht allein so. Auch dir. Du bist in letzter Zeit schrecklich nervös.«
    »Ich nehme an, ich habe zuviel geraucht.«
    »Du siehst aus, als ob du auch nicht wüßtest, was du mit dir in diesem Haus anfangen sollst. Jeden Vormittag rauchst du etwas mehr, jeden Nachmittag trinkst du etwas mehr, und jeden Abend brauchst du etwas mehr Schlafmittel. Du beginnst auch, dich überflüssig zu fühlen.«
    »Tu' ich das?« Er machte eine Pause und versuchte in sich hineinzuschauen, um zu erkennen, was wirklich in ihm vorging.
    »Oh, George!« Sie blickte an ihm vorbei auf die Tür des Kinderzimmers. »Diese Löwen können doch nicht dort heraus, nicht wahr?«
    Er wandte den Kopf und sah die Tür erzittern, als ob irgend etwas von der anderen Seite dagegenspränge.
    »Natürlich nicht«, erwiderte er.
     
    Beim Abendessen blieben sie allein, denn Wendy und Peter besuchten eine plastische Sonderschau im Vergnügungspark am anderen Ende der Stadt und hatten über das Fernsehtelefon Bescheid gesagt, sie würden später kommen und die Eltern sollten ruhig schon zu essen beginnen. So saß George Hadley grübelnd am Eßzimmertisch und sah zu, wie aus dessen technischen Eingeweiden Teller mit warmen Gerichten an der Oberfläche erschienen.
    »Wir haben das Ketchup vergessen«, sagte er.
    »Verzeihung«, antwortete eine dünne Stimme aus dem Tisch, und eine Flasche mit Ketchup tauchte auf.
    Den Kindern, dachte George Hadley, würde es nicht schaden, wenn man sie eine Zeitlang aus dem Kinderzimmer ausschloß. Zuviel von ein und demselben tat niemandem gut. Und alles deutete klar darauf hin, daß die Kinder sich ein wenig zuviel mit Afrika beschäftigt hatten. Diese Sonne . Er fühlte sie immer noch in seinem Nacken, wie eine heiße Pranke. Und die Löwen. Und der Blutgeruch. Fabelhaft, wie das Kinderzimmer die telepathischen Gedankenströme der Kinder auffing und Leben schuf, um alle ihre Wünsche zu erfüllen. Die Kinder dachten Löwen, und da waren Löwen. Die Kinder dachten Zebras, und da waren Zebras. Sonne – Sonne. Giraffen – Giraffen. Tod – und Tod.
    Diese letzte Vorstellung! Er kaute, ohne es zu schmecken, auf dem Fleisch herum, das der Tisch ihm geschnitten und vorgesetzt hatte. Todesgedanken. Sie waren reichlich jung für Todesgedanken, Wendy und Peter. Oder – nein, man war nie dafür zu jung, eigentlich. Lange bevor man wußte, was Tod bedeutete, wünschte man ihn jemand anderem. Schon mit zwei Jahren schoß man mit Spielzeugpistolen auf Leute.
    Aber dies – die weite, heiße afrikanische Steppe – der furchtbare Tod im Rachen eines Löwen. Und die ständige Wiederholung.
    »Wohin gehst du?«
    Er gab Lydia keine Antwort. Gedankenverloren merkte er nicht wie die Lampen lautlos vor ihm aufleuchteten und hinter ihm wieder verlöschten, während er auf die Kinderzimmertür zuschritt. Lauschend legte er das Ohr dagegen. Weit entfernt brüllte ein Löwe.
    Er schloß die Tür auf und öffnete sie. Gerade als er eintreten wollte, hörte er einen entfernten Schrei. Und darauf ein weiteres Löwengebrüll, das jedoch rasch verstummte.
    Er trat ein und war in Afrika. Wie oft hatte er im vergangenen Jahr die Tür geöffnet und sich im Wunderland befunden, mit Alice und der falschen Schildkröte, oder hatte

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