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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Wäldern von Haaren, versteckt zwischen einer Konstellation von Sommersprossen oder aus den Achselhöhlen lugend mit glitzernden kleinen Diamantaugen. Jeder schien völlig versunken in seine eigene Betriebsamkeit; jedes Gesicht war vergleichbar mit einem Porträt von Meisterhand.
    »Einfach wunderbar!« rief ich aus.
    Hätte El Greco in seiner Blütezeit Miniaturen gemalt, nicht größer als eine Handfläche, unendlich detailliert, mit seinen schwefligen Farben, seiner Exaktheit und seiner Gliederungskunst – der Körper dieses Mannes hätte seine Leinwand sein können. Die Farben brannten in drei Dimensionen; sie waren Fenster, die den Blick auf eine feurige Wirklichkeit freigaben. Hier, zusammengerafft auf einer einzigen Ausstellungswand, befanden sich die schönsten Stücke des Universums; der Mann war eine wandernde Kunstgalerie. Das war nicht die Arbeit eines billigen Rummelplatztätowierers. Es war das Werk eines Genies, voll vibrierenden Lebens, klar und wunderschön.
    »Oh ja«, sagte der illustrierte Mann; »ich bin so stolz auf meine Illustrationen, daß ich sie am liebsten abbrennen möchte. Ich hab's schon mit Sandpapier versucht, mit Salzsäure, mit dem Messer ...«
    Die Sonne sank hinter den Horizont. Der Mond stand bereits hoch im Osten.
    »Sie müssen nämlich wissen«, fuhr der illustrierte Mann fort, »diese Bilder sagen die Zukunft voraus.«
    Ich schwieg.
    »Solange die Sonne scheint, ist alles in Ordnung«, sprach er weiter. »Tagsüber könnte ich schon in einer Schaubude arbeiten. Aber nachts – nachts fangen die Bilder an, sich zu bewegen. Sie verändern sich.«
    Ich muß unwillkürlich gelächelt haben. »Wie lange sind Sie schon so – illustriert?«
    »1900, als ich zwanzig Jahre alt war und in einem Zirkus arbeitete, brach ich mir ein Bein. Damit war ich eine Zeitlang auf Eis gelegt. Ich mußte einfach etwas unternehmen, um nicht völlig zu versauern, und da beschloß ich, mich tätowieren zu lassen.«
    »Aber wer hat Sie tätowiert? Was ist mit dem Künstler geschehen?«
    »Es war eine alte Frau«, antwortete er. »Sie ging wieder zurück in die Zukunft. Ich lernte sie in einem kleinen Haus mitten in Wisconsin kennen, irgendwo in dieser Gegend, nicht weit weg von hier. Eine kleine alte Hexe – einmal sah sie wie tausend Jahre alt aus und im nächsten Augenblick wieder wie zwanzig. Sie erzählte mir, sie könne in der Zeit reisen. Damals hab' ich gelacht. Nun, heute weiß ich es besser.«
    »Wie kam es denn, daß Sie ihr begegneten?«
    Er erzählte es mir. Er hatte ihr handgemaltes Schild am Straßenrand gesehen: HAUT-ILLUSTRATIONEN! Illustrationen anstelle von Tätowierungen! Und so hatte er die ganze Nacht gesessen, während ihre magischen Nadeln ihm Wespenstiche und Mückenstiche versetzten. Am nächsten Morgen sah er aus wie ein Mann, den man in eine Zwanzig-Farben-Druckerpresse gestoßen und über und über bunt und voller Bilder wieder herausgequetscht hatte.
    »Seit fünfzig Jahren jage ich hinter ihr her«, sagte er und streckte die Hände weit von sich in die Luft. »Wenn ich diese Hexe jemals finde, bringe ich sie um!«
     
    Die Sonne war untergegangen. Die ersten Sterne schienen, und das Mondlicht überglänzte Wiesen und Weizenfelder. Die Bilder des illustrierten Mannes schimmerten wie glimmende Holzkohlen im Zwielicht, wie verstreute Rubine und Smaragde, in Farben von Rouault und Picasso und den langen, schmalen Gestalten von El Greco.
    »So wirft man mich hinaus, wenn meine Bilder sich bewegen. Die Leute mögen es nicht, wenn sich gewalttätige Dinge in meinen Illustrationen abspielen. Jede enthält eine kleine Geschichte. Wenn man sie beobachtet, erzählen sie einem in wenigen Minuten ihre Geschichte. In drei Stunden kann man eine ganze Menge Geschichten auf meinem Körper aufgeführt sehen, Stimmen hören und Gedanken mitdenken. Alles ist da und wartet nur darauf, daß Sie zusehen. Aber am wichtigsten ist eine ganz besondere Stelle.« Er drehte mir den Rücken zu. »Sehn Sie? Auf meinem rechten Schulterblatt – da ist keine richtige Illustration – nur so ein Durcheinander.«
    »Ja.«
    »Wenn ich lange genug mit jemandem zusammen bin, verschwimmt diese Stelle und wird dann klar. Die ganze Lebensgeschichte des Betrachters steht eine Stunde später auf meinem Rucken.«
    Während er sprach, wanderten seine Hände unablässig über die Illustrationen, als wolle er sie zurechtrücken, Staub fortwischen. Dann legte er sich zurück und streckte sich lang und bequem im

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