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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Aladin mit seiner Wunderlampe gesehen, oder Jack Pumpkinhead aus Oz, oder Doktor Doolittle, oder die Kuh, die über einen äußerst echt aussehenden Mond sprang – all die köstlichen Erfindungen einer Scheinwelt. Wie oft hatte er Pegasus durch den Himmel an der Decke fliegen sehen, oder bunte Feuerwerksfontänen, oder Engelsstimmen singen hören. Aber jetzt, dieses gelblodernde Afrika, dieser Backofen mit Mord unter der sengenden Sonne! Vielleicht hatte Lydia recht. Vielleicht benötigten sie einen kleinen Urlaub von ihrer Phantasie, die für zehnjährige Kinder ein wenig zu wirklichkeitsnah zu werden begann. Es war in Ordnung, daß sie ihren Geist mit Phantasiegymnastik übten; aber wenn der lebhafte kindliche Geist sich auf eine Schablone festlegte ...? Es schien ihm, als hätte er schon seit einem Monat von ferne Löwengebrüll gehört und den strengen Raubtiergeruch bis in sein Arbeitszimmer hinein wahrgenommen. Doch da er sehr beschäftigt gewesen war, hatte er sich nicht weiter darum gekümmert.
    George Hadley stand allein inmitten einer afrikanischen Steppe. Die Löwen blickten von ihrem Fraß auf und beobachteten ihn. Der einzige Bruch in der vollkommenen Illusion war die offene Tür, durch die er seine Frau sehen konnte, die weit hinter dem dunklen Korridor, wie ein gerahmtes Bild, geistesabwesend in ihrem Abendessen herumstocherte.
    »Verschwindet«, sagte er zu den Löwen.
    Sie verschwanden nicht.
    Er kannte das Arbeitsprinzip des Zimmers genau. Man sandte seine Gedanken aus, und was auch immer man dachte, nahm Gestalt an.
    »Aladin und die Wunderlampe sollen erscheinen«, rief er laut.
    Die Steppe blieb; die Löwen blieben.
    »Komm schon, Zimmer! Ich will Aladin!« befahl er.
    Nichts geschah. Die Löwen in ihren hitzeflimmernden Fellen fraßen weiter.
    »Aladin!« Er ging zum Abendessen zurück. »Das dumme Zimmer ist nicht in Ordnung«, sagte er. »Es will nicht mehr reagieren.«
    »Oder es kann nicht reagieren«, sagte Lydia, »weil die Kinder so viele Tage an Afrika und Löwen und Töten gedacht haben, daß das Zimmer jetzt ganz auf dieses eine Schema festgelegt ist.«
    »Kann sein.«
    »Oder Peter hat es fest darauf eingestellt.«
    »Eingestellt?«
    »Er ist vielleicht in den Mechanismus eingedrungen und hat irgend etwas blockiert.«
    »Peter versteht nichts von dem Mechanismus.«
    »Er ist sehr klug für zehn Jahre. Sein Intelligenzquotient ...«
    »Trotzdem ...«
    »Hallo, Mami. Hallo, Papi.«
    Die Hadleys drehten sich um. Wendy und Peter kamen durch die Vordertür herein, mit roten Wangen und strahlenden Augen.
    »Ihr kommt gerade noch zum Abendessen zurecht«, sagten beide Eltern wie aus einem Munde.
    »Wir sind ganz voll Erdbeereis und heißer Würstchen«, erwiderten die Kinder, die sich bei den Händen hielten. »Aber wir wollen uns gern zu euch setzen und zusehen.«
    »Ja, kommt her und erzählt uns von dem Kinderzimmer«, sagte George Hadley.
    Bruder und Schwester sahen erst ihn, dann einander erstaunt an. »Kinderzimmer?«
    »Nun, über Afrika und all das«, sagte der Vater mit vorgetäuschter Heiterkeit.
    »Ich versteh' dich nicht«, erwiderte Peter.
    »Deine Mutter und ich sind gerade von einer Reise mit Kamera und Büchse quer durch Afrika zurückgekehrt; Tom Swift und sein elektrischer Löwe«, sagte George Hadley.
    »Im Kinderzimmer ist kein Afrika«, sagte Peter einfach.
    »Na, komm schon, Peter, gib's zu. Wir wissen es besser.«
    »Ich kann mich an kein Afrika erinnern«, beharrte Peter. »Du vielleicht, Wendy?«
    »Nein.«
    »Lauf nachsehen und komm uns erzählen.«
    Sie lief los.
    »Wendy, komm sofort zurück!« rief George Hadley, aber sie war schon fort.
    »Wendy wird nachsehen und uns dann berichten«, sagte Peter.
    »Sie braucht mir nichts zu berichten. Ich habe es selbst gesehen.«
    »Bestimmt hast du dich getäuscht, Vater.«
    »Ich habe mich nicht getäuscht, Peter. Komm jetzt mit.«
    Aber Wendy war schon zurück. »Da ist kein Afrika«, sagte sie atemlos.
    »Wir werden ja sehen«, sagte George Hadley, und alle zusammen gingen sie den Korridor hinunter; er öffnete die Kinderzimmertür.
    Ein herrlicher grüner Wald empfing sie, ein Flüßchen plätscherte, ein purpurner Berg ragte vor ihnen auf, helle Stimmen sangen, und Rima, lieblich und geheimnisvoll, bunte Schmetterlingsschwärme wie lebendige Blumengebinde in ihrem langen Haar stahl sich durch die Bäume. Die afrikanische Steppe war verschwunden. Die Löwen waren verschwunden. Nur Rima war jetzt hier und sang ein so

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