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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Haupthaus und hielt dabei die Luft an. Dabei war klar, dass die Eindringlinge schon seit Stunden fort waren – genau wie sämtliche Bewohner und Diener. Eine tödliche Stille lag über dem Anwesen. Einzig das sanfte Rascheln der Vorhänge war zu vernehmen, die durch die offenen Fenster nach draußen flatterten. Bhavani nahm all ihren Mut zusammen und huschte in das Arbeitszimmer ihres Vaters. Sie hatte Verwüstung erwartet, vielleicht sogar einen Verletzten oder gar Leichnam, der auf dem Boden lag. Doch dort, inmitten der zertrümmerten Möbel und der Scherben, lag einzig ihre Puppe, die bernsteinfarbenen Glasaugen starr der Decke zugewandt, die schillernde Kleidung zerrissen.
    Leise setzte sich Staub auf die welke Frangipani-Blüte in ihrem aufgelösten Zopf.

[home]
1
    Goa, 1632
    M iguel Ribeiro Cruz wälzte sich unruhig in seiner Koje hin und her. Er träumte, sie seien endlich an der Küste Goas angelangt. Der Traum war so lebensnah, dass er meinte, das aufgeregte Fußgetrappel auf dem Hauptdeck zu vernehmen, die unflätigen Flüche der Matrosen und die Befehle der Offiziere. Miguel rollte sich auf die linke Seite und legte einen Arm schützend über das rechte Ohr. Konnte man auf diesem elenden Schiff denn nicht ein einziges Mal in Ruhe ausschlafen und zu Ende träumen? Dann, in diesem merkwürdigen Schwebezustand zwischen Wachen und Schlafen, träumte er, dass das alles ja Teil seines Traums war. Halb belustigt über die trügerische Realität der Illusion ließ er sich erneut in die schöne Phantasiewelt abgleiten. Ein leises Lächeln lag auf seinen Lippen.
    Ah, wie herrlich das wäre, wenn sie wirklich bald wieder festen Boden unter den Füßen hätten! Wie sehr er sich nach Dingen sehnte, von denen er vorher gar nicht gewusst hatte, dass man sie vermissen konnte: den frischen Duft von Wiesen und Wäldern, gepflegte Gespräche mit vornehmen Damen und Herren oder in vollem Galopp ausgedehnte Ausritte zu unternehmen. Er hatte den Kragen gestrichen voll von dem Gestank von Salz, Fisch und Teer, von den zotigen Witzen der Mannschaft genauso wie von deren ungewaschenen Leibern und nicht zuletzt von der Enge an Bord sowie dem Gefühl, eingesperrt zu sein. Er hielt es kaum noch aus. Diese lange Reise verlangte Miguel alles an Selbstbeherrschung ab, dessen er fähig war.
    »Wach auf, mein Freund!«, drang eine Stimme wie aus sehr weiter Ferne in sein Bewusstsein.
    Miguel grunzte, rollte sich auf den Bauch und presste das Kissen auf seinen Kopf.
    »Wach endlich auf, Miguel! Du verpasst ja das Beste!« Diesmal blieb es nicht bei dem Rufen. Der Mann rüttelte Miguel an der Schulter. Als auch das nichts fruchtete, entriss er ihm gewaltsam das schützende Kissen.
    »Grrrmh!«
    »Ja, ja, ich weiß. Aber du würdest mich noch mehr hassen, wenn ich dich schlafen ließe, glaub mir. Wir sind da! Miguel, hörst du? Wir haben es geschafft! Reiß dich zusammen und komm mit mir aufs Deck – das Fort Aguada ist schon zu sehen, in Kürze fahren wir in die Mündung des Mondavi-Flusses ein.«
    Das, beschloss Miguel, war eindeutig nicht mehr Teil seines Traums. Er drehte den Kopf, öffnete die Augen und sah seinen Freund Carlos Alberto, der, ordentlich gekämmt und rasiert wie seit Monaten nicht mehr, vor seiner Koje stand, noch dazu in voller Montur. In Stulpenstiefeln und Schaube wirkte Carlos Alberto viel erwachsener, wichtiger irgendwie, als Miguel ihn kannte. Mit einem Satz sprang Miguel auf. Sein Schädel pochte, und sein Mund war so trocken, dass er kein Wort herausbrachte. Das hatte er nun davon, dass er letzte Nacht mit dem Bootsmann und ein paar anderen Männern bis in die Puppen gezecht hatte – und zwar genau weil, so erinnerte er sich nun wieder, das baldige Ende der Überfahrt in Sicht war. Stöhnend griff er nach seiner Kleidung, zog sich hastig an und folgte Carlos Alberto, der schon die Kajüte verlassen hatte, hinauf aufs Deck.
    Miguels Beine waren so wacklig, dass er nur mit Mühe die schmale Treppe erklomm. Oben angekommen, rannte ein Matrose ihn beinahe um. »Steht nicht so im Weg herum«, blaffte der Mann ihn an, doch es klang eher fröhlich als ärgerlich. Auch die Seeleute waren glücklich darüber, heil am Ziel angelangt zu sein. Ihre Geschäftigkeit war von einer so guten Stimmung und so viel Optimismus geprägt, dass Miguel seinen Kater schlichtweg vergaß. Er lief zu Carlos Alberto an die Reling auf der Steuerbordseite. Schweigend nahmen sie den Anblick auf, der sich ihnen bot.
    Die Sonne erhob sich

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