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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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SPRUNG ZUM SIEG
    Als nur noch drei Tage fehlten, bis sie fünfzehn wurde, blieb Alison Pope oben an der Treppe stehen.
    Angenommen, es war eine Marmortreppe. Angenommen, sie schritt hinunter, und alle drehten sich nach ihr um. Wo war {Herzbube}? Kam jetzt näher, verbeugte sich leicht und rief aus, Wie kann so viel Anmut in so einer halben Portion verpackt sein. Ups. Hatte er gerade halbe Portion gesagt? Und einfach so dagestanden? Breites Prinzengesicht ohne jeden Ausdruck? Armes Würstchen! Sorry, vergiss es, durchgefallen, der war ganz sicher nicht {Herzbube}.
    Und der Typ hinter Mr Halbe Portion, beim Home Entertainment Center? Dicker, bauernsolider Nacken, aber sanfte volle Lippen, der ihr, eine Hand unten auf dem Rücken, zuflüsterte, Tut mir furchtbar leid, dass du gerade den Spruch mit der halben Portion ertragen musstest. Komm, wir stellen uns auf den Mond. Äh, in den Mond. Ins Mondlicht.
    Hatte er gerade gesagt, Komm, wir stellen uns auf den Mon d ? Tja, da sollte sie wohl besser so {Augenbrauen hoch} machen. Und falls kein trockener Konter kam, sie dann so, Äh, für den Mond hab ich nicht ganz das Richtige an, der ist doch, wenn ich mich nicht irre, superkalt?
    Na los, Jungs, sie konnte doch nicht ewig im Geist diese Marmortreppe runtertrapsen! Die herzige alte Weißlocke mit ihrem Diadem wurde so total, Warum lassen diese angeblichen Prinzen das Goldschätzchen hier bis zum Exstress auf der Stelle trippeln? Plus, sie hatte heute Abend einen Auftritt und musste noch ihre Leggings aus dem Trockner holen.
    Götter! Du stehst ja immer noch oben an der Treppe.
    Mach jetzt mal die Sache, wo du nach oben guckst, die Hand am Geländer, und die Stufen eine nach der anderen runterhüpfst, was in letzter Zeit immer schwieriger wird, weil da wohl bei jemandem die Füße ganz offensichtlich jeden Tag wachsen.
    Pas de chat, pas de chat.
    Changement, changement.
    Hüpf über das dünne Metalldings zwischen Flurfliesen und Wohnzimmerteppich.
    Knicks dir im Dielenspiegel selber zu.
    Na los, Mom, komm endlich. Wir wollen nicht schon wieder von Ms Callow in den Kulissen gegeiselt werden.
    Obwohl, eigentlich liebte sie Ms C. So streng! Und genauso die anderen Mädchen in dem Kurs. Und die aus der Schule. Liebte sie total. Die waren alle so nett. Plus die Jungs an ihrer Schule. Plus die Lehrer an ihrer Schule. Die gaben alle ihr Bestes. Eigentlich liebte sie die ganze Stadt. Diesen großartigen Obst- und Gemüsehändler, der seinen Salat besprühte! Pfarrerin Carol mit ihrem großen gemütlichen Hintern! Den pummeligen Briefträger, der mit seinen wattierten Umschlägen wedelte! Früher war das mal eine Textilstadt gewesen. Verrückt, oder? Was bedeutete das überhaupt?
    Und ihr Haus liebte sie. Auf der anderen Seite vom Bach stand die russische Kirche. So folkloristisch! Dieser Zwiebelturm, der in ihrem Fenster aufragte, seit sie Pu-der-Bär-Strampler getragen hatte. Gladsong Drive liebte sie auch. Jedes Haus am Gladsong Drive war ein Corona-del-Mar-Modell. Unglaublich! Wenn du mit wem befreundet warst, der am Gladsong wohnte, wusstest du genau, wo bei ihm oder ihr zu Hause alles war.
    Jeté, jeté, rond de jambe.
    Pas de bourrée.
    Vor lauter Übermut Purzelbaum schlagen, auf die Füße springen, das Bild von Mom und Dad küssen, in der Steinzeit geknipst bei Penney’s, damals warst du noch das kleine süße Ding {Kuss} mit der süßen Schleife im Haar, der wahrscheinlich längsten Praline der Welt.
    Manchmal, wenn sie so glücklich war wie jetzt, stellte sie sich ein Rehbaby vor, das draußen im Wald zitterte.
    Wo ist denn deine Mama, Kleines?
    Weiß nicht, sagte das Reh mit der Stimme von Heathers kleiner Schwester Becca.
    Hast du Angst?, fragte sie es. Hast du Hunger? Soll ich dich in den Arm nehmen?
    Okay, sagte das Rehbaby.
    Jetzt kam der Jäger an und zerrte die Rehmutter an den Hörnern. Ihre ganzen Eingeweide hingen raus. Schöne Bescherung, du lieber Himmel! Sie hielt dem Baby die Augen zu und meinte so, Habt Ihr nichts Besseres zu tun, o dräuelnder Jäger, als die Mama von diesem Kleinen hier totzuschießen? Eigentlich wirkt Ihr doch ganz nett.
    Ist meine Mama totgeschossen?, fragte das Rehbaby mit Beccas Stimme.
    Nein, nein, sagte sie. Und dieser Herr hier wollte gerade gehen.
    Der Jäger, gefesselt von ihrer Schönheit, lupfte oder zupfte seine Mütze, ging auf ein Knie und sagte, Könnt ich diesem Kitz hier wieder Leben einhauchen, ich tät’s, in der Hoffnung, dass du unserer ältlichen Stirn vielleicht

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