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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Budinger
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Er schreckte hoch.
    Dann hörte er es.
    Die Schreie eines Menschen.
    Ein dunkelhäutiger Pfleger namens Simms überholte Cotton, als dieser ungefragt den Korridor entlanglief, in Richtung der Implosion von Pflegepersonal und Ärzten.
    »Notfall in Zimmer neun!«, rief jemand über den Flur. Die Tür öffnete sich, und ein Mann in einem Rollstuhl wurde herausgeschoben. Shultz.
    Sein Gesicht war von Schweißperlen übersät. Er beugte sich vor und grub die Finger in das rohe Fleisch seiner Wade. »Sie bewegen sich!«, kreischte er. »Es tut so weh! Himmel, tun Sie doch was!«
    Blut strömte aus dem Bein, wo Shultz den Bio-Bag abgerissen hatte. Ein Pfleger sprach beruhigend auf ihn ein. Der Mann, der Cotton morgens noch von den Vorteilen der Madentherapie überzeugen wollte, war vollkommen hysterisch.
    Nun erschien Dr. Carter auf der Bildfläche. »Behandlungszimmer zwei«, rief er der Schwester zu, und der brüllende Shultz verschwand hinter einer Biegung.
    Cottons Arm juckte unter dem Verband. Er schloss zu dem Arzt auf. »Stimmt etwas nicht mit Mr Shultz?«, fragte er.
    Der Arzt sah sich gehetzt um. »Haben Sie auch Schmerzen?«
    »Nein.« Eher weniger als sonst.
    »Warten Sie bitte in Raum eins«, sagte der Doktor hastig. »Ich kümmere mich gleich um Sie.«
    Was war passiert? Cotton blieb auf dem Korridor zurück, bis niemand mehr zu sehen war. Dann ging er zu dem Zimmer, in dem Shultz und sein Tross steckten, und blieb davor stehen. Er hörte Shultz’ aufgeregte Stimme durch die Tür: »Hab mich … hingelegt. Aber diese Schmerzen. Dann sah ich die roten Punkte … das Blut!«
    Das Klirren von Metallinstrumenten war zu vernehmen. Dann Carters Stimme, der ruhig um eine Injektion bat.
    Kurz darauf wurden die Schmerzenslaute des Patienten leiser.
    Minuten vergingen, dann öffnete sich die Tür.
    Zwei Pflegerinnen verließen das Zimmer. Die beiden sahen verstört aus – eine besonders erschreckende Beobachtung bei Pflegepersonal, das darin geschult war, Optimismus zu verbreiten.
    Während die beiden Frauen sich zu einem abgetrennten Balkon begaben, pirschte sich Cotton näher an sie heran.
    Feuerzeuge klickten, und ein leichter Geruch nach Zigarettenrauch wehte durch die angelehnte Glastür.
    »… so was noch nie gesehen. Die Biester haben sich richtig tief ins Fleisch gebohrt.«
    Cotton schluckte und spannte sich unwillkürlich an. Er schob den Ärmel hoch und überprüfte akribisch das Gewebe neben dem Bio-Bag. Es war nichts zu sehen, und doch glaubte er zu fühlen, wie die Maden ihn bei lebendigem Leibe auffraßen.
    »Kommen Sie bitte in die eins?«
    Cotton zuckte zusammen. Simms, der Pfleger von vorhin, stand neben ihm. »Dr. Carter will Sie sehen.«
    Cotton zuckte die Achseln und folgte dem Mann. »Was war denn da los?«, fragte er unschuldig. »Mr Shultz schien vor drei Stunden noch ganz gesund zu sein.«
    »Der Doktor wird Ihnen sofort alles Nötige mitteilen«, entgegnete Simms.
    Die nächsten Augenblicke glichen einer Ewigkeit. Simms beäugte ihn wie eine tickende Zeitbombe. Cotton schauderte und streckte den Arm so weit wie möglich von sich weg.
    Durch die Zwischentür betrat Carter den Raum.
    »Wie geht es Mr Shultz?«, fragte Cotton. »Ist was schiefgelaufen?«
    »Mr Shultz hat eine Art Allergie gegen das Sekret der Tiere entwickelt. Ich rechne nicht mit weiteren Problemen.«
    Cotton schwieg. Die ungeschönten Worte der beiden Schwestern vorhin hatten ganz anders geklungen.
    Der Arzt lächelte beruhigend. »Aber sicherheitshalber werden wir bei Ihnen nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
    Carter wickelte den Verband ab. Der Arzt ließ sich von Simms eine Schere reichen und durchtrennte die Pflasterstreifen, die den Bio-Bag auf der Verletzung hielten.
    Er hob den Gaze-Beutel so vorsichtig auf, als hätte er Angst, dass der noch auf der Pinzette zerreißen könnte. Nichts passierte, und der bräunlich verfärbte Madenbeutel landete in einer Nierenschale.
    Die Wunde darunter sah aus wie am Morgen. Eher etwas besser. Cotton spürte, wie die Anspannung aus Carter wich wie Luft aus einem offenen Ballon. Oder war es seine eigene?
*
    Der Vorfall war das Gesprächsthema beim Abendessen. Eine Menge Leute hatten den Zwischenfall und die Aufregung mitbekommen, aber niemand wusste Genaueres. Einige Patienten beschwerten sich darüber, dass man ihre Madenbehandlungen gestrichen hatte.
    Der Abend drohte lang zu werden, und irgendetwas ließ Cotton keine Ruhe. Nach dem Essen ging er in den klinikeigenen

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