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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Budinger
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wird.«
    »Man soll ja über die Toten nicht schlecht reden«, meinte Mrs Kelly mit einem boshaften Ausdruck auf den Lippen, »aber vermutlich hat Mr Shultz sich einfach zu sehr aufgeregt. Vielleicht hatte er einen Herzanfall. Fett genug war er jedenfalls.«
    Cotton lachte spöttisch. »Ach, und deswegen auch das Desinfektionsteam, das Shultz’ Zimmer gereinigt hat.« Er selbst hatte die drei Männer auf dem Weg vom Fitnessraum beobachtet.
    Mrs Kelly schnaubte. »Die Klinik achtet eben auf Hygiene. Das ist doch auch in Ihrem Sinne, junger Mann.«
*
    Am späten Nachmittag mähte der Gärtner den üppigen Rasen. Cotton saß auf einer Bank und recherchierte mit dem Smartphone in mehreren Zeitungsarchiven nach neueren Entwicklungen. Er hatte den Fall mit dem »Blutigen Buchmacher« nicht vergessen, hatte die Sache seit seinem Eintritt ins G-Team allerdings aus den Augen verloren.
    Allmählich ging die Sonne unter. Es roch nach frischem Grasschnitt. Cotton wählte eine Playlist und stöpselte die Kopfhörer ein. Er wollte in Ruhe nachdenken, denn Castelli war einer seiner großen Fälle gewesen, als er noch dem NYPD angehört hatte …
    Es roch nach modrigen Ziegeln, verschüttetem Bier und Blut. Die Atmosphäre in dem kühlen Keller in Queens war aufgeheizt. Die rauchige Luft stand. Joe Brandenburg zückte seine Waffe. Cotton folgte seinem Partner die Treppe hinunter.
    Ihnen bot sich ein Blick in die Hölle.
    Pitbulls kämpften in einer Grube im Boden. Zwei Dutzend Männer, darunter Arbeiter, Bankangestellte und Ladenbesitzer, feuerten die Tiere an. Leicht bekleidete Frauen servierten Alkohol. Außer den Rufen und dem Gegröle hörte man nur das Kratzen von Krallen auf den Fliesen, dann das Geräusch einer kompakten Masse, die gegen eine Wand krachte.
    Der Kampf selbst verlief lautlos, sah man vom Hecheln der Hunde ab. Man hatte ihnen die Stimmbänder durchtrennt. Die beiden Tiere verbissen sich wild ineinander. Nacken und Brust waren bereits zerfleischt, alte Narben darunter wieder aufgerissen. Das Blut stand einen halben Inch hoch in der Grube und war bei den wütenden Attacken bis über den Rand gespritzt.
    Plötzlich brüllte jemand: »Cops!« Frauen kreischten, Leute rannten auseinander und versuchten, sich in Rauch und Schatten dieses Rattenlochs zu verbergen und in Sicherheit zu bringen. Es gab nur zwei Ausgänge. Hundekämpfe waren in den USA verboten, und schon Zuschauer machten sich strafbar.
    Joe Brandenburg hatte Verstärkung angefordert, bevor er mit Cotton diese Schlangengrube betreten hatte. Die Cops würden sich um die blutrünstigen Schaulustigen kümmern. Brandenburg jedoch hatte sich ein höheres Ziel gesetzt. »Da hinten!«, gab er den Marschbefehl und rannte in Richtung der Buchmacher. »Du sicherst die Beweise.«
    Cotton hätte sich lieber die Verantwortlichen des bestialischen Spektakels gegriffen, doch er sagte: »Geht klar.«
    Sie drängten sich durch die panische Meute zu einem Tisch mit Laptop, an dem noch hektisch Tasten gedrückt wurden. Einem der Anzugträger, der an ihnen vorbeischlüpfen wollte, stellte Cotton ein Bein. Dann rammte er den zweiten Mann zur Seite, ehe der noch mehr Beweise vernichten konnte, und riss den Laptop an sich.
    Brandenburg zückte die Handschellen und schloss sie um die Handgelenke eines mittelgroßen Typen mit kalten Augen. An diesem Nachmittag ging ihnen der Wettbüro-Zar Castelli höchstpersönlich ins Netz.
    Während sich eine Schar Polizisten in blauer Uniform Respekt verschaffte und die Hintermänner einbuchtete, warf Cotton einen Blick in die Grube.
    Die Hunde kämpften noch immer. Der Vorderlauf des einen Tieres war gebrochen, nicht aber sein Siegeswille. Mit der Kraft der Nackenmuskeln rang er den Gegner nieder und wartete auf den Tötungsbefehl, der nie kommen würde.
    In dem leeren Raum waren schwere Metallkäfige mit geisterhaft stillen Hunden an der Wand aufgereiht. Trainingsgeräte, mit blutigen Eisenstangen wie mittelalterliche Foltermaschinen, verrieten, was hier täglich geschah, mitten in New York …
    Offiziell hatte Castelli seine Strafe verbüßt. Aber nach dem Vorfall hatte er die Geschäfte aus gesundheitlichen Gründen an seinen jüngeren Bruder abgetreten. Und tatsächlich sah Castelli nicht sehr gesund aus. Das konnte viele Ursachen haben. Vielleicht litt der »Blutige Buchmacher« ja an einem entzündeten Hundebiss. Die Ironie dieses Gedankens erheiterte Cotton.
*
    Vor dem Abendessen wandte Dr. Sheffer sich an die versammelten Patienten.

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