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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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vielleicht der Wald von Fontainebleau. Ich gehe gern im Wald spazieren. Und Paris ist nicht weit. Dort bin ich eine Woche geblieben – hab mich nur mal umgeschaut.«
    Tom ging langsamer. Warum war der Junge so an ihm interessiert, daß er wußte, wo er wohnte? »Gehen wir hinüber.«
    Jetzt sah er im Licht der Türlaterne den beigen Kies von Belle Ombres Vorhof. Nur noch wenige Meter. »Woher weißt du, wo ich wohne?« fragte Tom. Er spürte die Verlegenheit des Jungen am Ducken des Kopfes, am Zucken des Lichtstrahls. »Ich habe dich hier auf der Straße gesehen – vor zwei, drei Tagen, nicht?«
    »Ja«, erwiderte Billy mit tieferer Stimme. »Ich hatte Ihren Namen in den Zeitungen gelesen, drüben in den Staaten. Da ich nicht weit von Villeperce wohne, dachte ich mir, ich würde gern Ihr Haus sehen.«
    In den Zeitungen? Wann? Und warum? Tom wußte allerdings, daß es ein Dossier über ihn gab. »Du hast ein Rad im Dorf stehen?«
    »Nein«, sagte der Junge.
    »Wie kommst du dann heute abend nach Moret zurück?«
    »Ach, per Anhalter. Oder zu Fuß.«
    Sieben Kilometer. Warum sollte jemand, der in Moret wohnte, nach neun Uhr abends sieben Kilometer nachVilleperce laufen? Tom sah einen schwachen Lichtschein links der Bäume: Madame Annette war noch wach, aber auf ihrem Zimmer. Er legte die Hand auf einen Flügel des angelehnten Eisentors. »Wenn du willst, kannst du gern auf ein Bier hereinkommen.«
    Der Junge runzelte die Stirn, biß sich auf die Lippe und sah bedrückt zu Belle Ombres beiden Vordertürmen auf, als stelle ihn das vor eine schwere Entscheidung. »Ich…«
    Sein Zögern verblüffte Tom noch mehr. »Mein Wagen steht hier. Ich kann dich nach Moret fahren.« Unschlüssiges Schweigen. Ob der Junge wirklich in Moret wohnte und arbeitete?
    »Na gut. Vielen Dank. Ich komme kurz mit hinein«, sagte er.
    Sie gingen durchs Tor, und Tom zog die Flügel zu, ohne jedoch abzuschließen. Der große Schlüssel steckte innen im Schloß. Nachts lag er unter einem Rhododendronbusch unweit des Tors versteckt.
    »Meine Frau hat heute abend eine Freundin zu Besuch«, sagte Tom, »aber wir können in der Küche ein Bier trinken.«
    Die Haustür war nicht abgeschlossen. Im Wohnzimmer brannte noch Licht, eine Lampe nur, doch Héloïse und Noëlle waren wohl nach oben gegangen. Oft unterhielten sich die beiden noch bis in die Nacht, entweder im Gästezimmer oder bei Héloïse.
    »Bier? Kaffee?«
    »Was für ein schönes Haus!« Der Junge stand nur da und sah sich um. »Sie spielen Cembalo?«
    Tom lächelte. »Ich nehme Unterricht, zweimal die Woche. Gehen wir in die Küche.«
    Sie gingen links durch den Flur. In der Küche machte Tom Licht, öffnete den Kühlschrank und nahm ein Sechserpack Heineken heraus.
    »Hast du Hunger?« fragte Tom. Ein Rest Roastbeef lag auf einem Servierteller, unter Alufolie.
    »Nein, danke, Sir.«
    Im Wohnzimmer betrachtete der Junge das Bild Mann im Sessel über dem Kamin, dann den etwas kleineren, dafür echten Derwatt Die roten Stühle an der Wand neben der Flügeltür: blitzschnelle Blicke nur, die Tom aber nicht entgingen. Warum die Derwatts und nicht der größere Soutine in auffälligem Rot und Blau, der über dem Cembalo hing?
    Tom wies auf das Sofa.
    »Da kann ich nicht sitzen, meine Jeans sind zu schmutzig.«
    Das Sofa war mit gelbem Satin bezogen. Im Wohnzimmer standen auch ein paar ungepolsterte Stühle, doch Tom sagte: »Gehen wir zu mir nach oben.«
    Sie stiegen die geschwungene Treppe hinauf; Tom trug die Bierflaschen und einen Öffner. In Noëlles Zimmer brannte Licht, die Tür war angelehnt. Héloïses Tür auch: Tom hörte Stimmen und Gelächter, ging nach links in sein Zimmer und machte Licht.
    »Nimm den Stuhl. Ist nur Holz.« Tom drehte den Schreibtischstuhl mit den Armlehnen zur Mitte des Zimmers und öffnete zwei Heineken.
    Der Blick des Jungen ruhte auf der eckigen Wellington-Kommode. Holz, Messingecken und eingelassene Schubladengriffe hatte Madame Annette wie immer auf Hochglanz poliert. Er nickte beifällig. Ein gutaussehendes, eher ernstes Gesicht mit einem markanten, noch bartlosen Kinn. »Ein schönes Leben haben Sie hier, oder?«
    Der Ton hätte spöttisch sein können oder auch wehmütig. Hatte der Junge die Berichte über ihn gelesen und ihn als Gauner abgestempelt? »Warum auch nicht?« Er gab dem Jungen eine Flasche. »Tut mir leid, Gläser hab ich vergessen.«
    »Könnte ich mir wohl erst mal die Hände waschen?« fragte der Junge ernsthaft und höflich.
    »Aber

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