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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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anders.«
    »Und was genau hast du gesagt?«
    »Daß mein Vater nahe am Abgrund gewesen wäre. Daß es mir so vorkam, als hätte er sich eigentlich nicht hinabstürzen wollen.« Die letzten Worte erstarben, als bekomme der Junge keine Luft mehr. Er stand auf, ging zum angelehnten Fenster und drehte sich um. »Ich habe gelogen. Das sagte ich Ihnen schon.«
    »Verdächtigt dich deine Mutter – und sei es nur insgeheim?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Das wüßte ich. Nein, tut sie nicht. Sie hält mich eher für, hmm, ernsthaft, wenn Sie wissen, was ich meine. Und ehrlich.« Ein nervöses Lächeln. »Johnny war der Rebell, als er so alt war wie ich – sie mußten Privatlehrer für ihn holen, weil er so oft von Groton weggelaufen ist, nach New York. Dann hat er sich wieder gefangen. Nicht, daß er je harte Sachen getrunken hätte, aber Pot hat er geraucht, klar. Ein bißchen gekokst auch. Jetzt benimmt er sich besser. Aber ich will sagen, im Vergleich zu ihm bin ich so etwas wie der brave Pfadfinder. Deshalb hat Dad mich ja auch so unter Druck gesetzt, Interesse an seiner Firma zu zeigen, am Pierson-Imperium !« Frank breitete lachend die Arme aus.
    Tom sah, daß der Junge erschöpft war.
    Frank ging zum Stuhl zurück, setzte sich und legte den Kopf in den Nacken, die Augen halb geschlossen. »Wissen Sie, was ich manchmal denke? Daß mein Vater sowieso schon fast tot war. Halbtot in seinem Rollstuhl – nicht mehr lange, und er wäre vielleicht gestorben. Und ich frage mich, ob ich das nur denken will, um mich ein bißchen weniger schuldig zu fühlen. Scheußlich, so ein Gedanke!« stieß Frank hervor.
    »Kommen wir kurz auf Susie zurück. Sie glaubt, daß du den Rollstuhl über die Klippe gestoßen hast, und das hat sie dir auch gesagt?«
    »Ja.« Er sah Tom an. »Sie behauptet sogar, sie hätte mich vom Haus gesehen, deshalb glaubt ihr auch keiner. Man kann die Klippe von dort gar nicht sehen. Aber sie war völlig durcheinander, als sie das sagte. Fast schon hysterisch.«
    »Hat sie auch mit deiner Mutter gesprochen?«
    »O ja, sicher, das weiß ich. Meine Mutter hat ihr nicht geglaubt. Sie mag Susie eigentlich nicht. Mein Vater schon, weil sie so zuverlässig ist – war – und weil sie schon so lange bei uns ist, seit Johnny und ich noch ganz klein waren.«
    »Als eure Erzieherin?«
    »Nein, eher als Haushälterin. Wir beide hatten immer unsere eigenen – Gouvernanten. Meist Frauen aus England.« Frank lächelte. »Moms Helferlein. Die letzte wurde erst entlassen, als ich ungefähr zwölf war.«
    »Und Eugene? Hat er etwas gesagt?«
    »Über mich? Nein. Kein Wort.«
    »Magst du ihn?«
    Der Junge lachte auf. »Er ist in Ordnung. Kommt aus London, hat Sinn für Humor. Aber jedesmal wenn Eugene und ich Witze machten, hat mein Vater hinterher zu mir gesagt, ich sollte nicht mit dem Butler oder Fahrer scherzen – Eugene war meist beides.«
    »Wohnt sonst noch jemand im Haus? Andere Diener?«
    »Zur Zeit nicht. Ab und zu helfen Leute aus. Vic, der Gärtner, nimmt im Juli Urlaub, oder auch länger, also stellen wir manchmal Aushilfskräfte ein. Mein Vater wollte immer so wenig Personal wie möglich um sich haben.«
    Tom dachte, daß Lily und Tal womöglich gar nicht so unglücklich über John Piersons Ableben waren. Was ging da vor? Er stand auf und trat an den Schreibtisch. »Nur für den Fall, daß dir danach ist, alles aufzuschreiben.« Er gab dem Jungen rund zwanzig Blatt Schreibmaschinenpapier. »Egal ob mit Kuli oder Schreibmaschine. Beides findest du hier.« Seine Schreibmaschine stand mitten auf dem Tisch.
    »Danke.« Frank starrte nachdenklich auf das Papier.
    »Wahrscheinlich würdest du gern spazierengehen, aber das geht leider nicht.«
    Frank stand auf, die Blätter in der Hand. »Genau danach ist mir jetzt.«
    »Na ja, du könntest den Weg hinter dem Haus nehmen«, sagte Tom. »Ein einspuriger Waldweg, da ist niemand, höchstens ab und zu ein Bauer. Du weißt schon, hinter dem Streifen, wo wir heute morgen gearbeitet haben.« Der Junge hatte verstanden und ging zur Tür. »Und nicht laufen«, sagte Tom, denn Frank schien geladen, voll nervöser Energie. »Komm in einer halben Stunde zurück, sonst mach ich mir Sorgen. Du hast doch eine Uhr?«
    »Ach so, ja. – Zwei nach halb drei.«
    Tom warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die eine Minute vorging. »Falls du später die Schreibmaschine brauchst, dann hol sie dir einfach.«
    Der Junge legte das Papier ins Zimmer nebenan und ging nach unten. Aus

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