0988 - Die Magnetfrau
Grit Wayne verstand die Welt nicht mehr. Trotz der Kopfschmerzen wollte sie über das Geschehene nachdenken, auch über den Topf, und sie schaffte es, ihre Gedanken zu ordnen.
Der Topf hatte auf dem Schrank gestanden. Von allein hatte er nicht herunterfallen können, das war klar.
Trotzdem hatte er sich bewegt. Er war über die Kante hinweggerutscht und hatte ihren Kopf erwischt, ohne daß ihn jemand berührt hätte.
Die Frau war durcheinander. Sie blieb sitzen. Sie zitterte aufgrund des Schocks, und ihr wurde furchtbar übel.
Mit der Hand fuhr sie über die Beule am Kopf hinweg. Sie ertastete auch eine Schramme. Bei den Berührungen zuckte Grit zusammen.
Zu den jammernden Frauen gehörte Grit Wayne nicht. Sie war es gewohnt, nicht so leicht aufzugeben. Jemand wie sie ließ sich auch nicht gern helfen. Grit nahm die Dinge immer selbst in die Hand, das wollte sie auch in diesem Fall tun.
Die Kopfschmerzen würden zwar irgendwann von allein verschwinden, so lange aber wollte sie nicht warten. Sie würde sich aus dem Schrank eine Tablette holen.
Es war nicht einfach. Sie mühte sich ab. Es war eine Quälerei für die Frau, auf die Beine zu kommen. Als sie endlich stand, da packte sie der Schwindel. Er drückte sie herum, und sie schwebte plötzlich, obwohl sie noch Bodenkontakt hatte.
Es vergingen einige Sekunden, bis sich Grit besser fühlte. Da bedeckte schon der kalte Schweiß ihren Körper. Das innerliche Zittern war auch noch nicht vorbei. Sie war unsicher auf den Beinen, stützte sich an der Arbeitsplatte ab - und schrak zusammen, als sie das scheppernde Geräusch hörte, nachdem sie mit dem Fuß gegen den Kochtopf gestoßen war und er über den Boden glitt. Er knallte gegen einen Schrank und blieb liegen.
Grit stützte sich mit den Handflächen ab. Sie fand sich damit ab, für das Phänomen keine Erklärung zu wissen; die Gesetze der Physik schienen auf den Kopf gestellt worden zu sein.
Die Tabletten lagen stets griffbereit in der Schublade. Rasch hatte sie die eingeschweißten Pillen gefunden.
Sie drückte eine heraus, warf sie in den Mund und spülte sie mit Wasser hinunter. Dabei schüttelte sie sich, und der Kopf schmerzte bei dieser Bewegung noch stärker. Dann trank sie noch einmal Wasser, um sich anschließend auf dem Hocker niederzulassen. Die Frau konnte sich etwas ausruhen und zu sich selbst finden. Sie zitterte noch immer und schwitzte jetzt. In den Achselhöhlen hatte sich der Schweiß gesammelt.
Die Lippen wirkten spröde, der Mund irgendwie ausgetrocknet, und die Zunge war rauh wie ein Bimsstein.
Im Kopf tuckerte es. Zwar hatte sie die Tabletten geschluckt, doch bis die Wirkung eintrat, würde es noch dauern. Sie wollte sich in der Zwischenzeit so wenig wie möglich bewegen.
Es war für Grit Wayne noch immer unbegreiflich, wie so etwas überhaupt hatte geschehen können. Ein Kochtopf, der sich selbständig gemacht hatte und durch die Luft geflogen war.
Einfach so. Ohne Einwirkung von dritter Seite. Da kam sie nicht mit. In der vergangenen Zeit hatte es zwar einige Dinge gegeben, die ihr merkwürdig vorgekommen waren, besonders wenn Metall im Spiel war.
Aber so was wie jetzt hatte sie noch nicht erlebt.
Es hatte damit begonnen, daß Messer oder ganze Bestecke nicht mehr an den Plätzen gelegen hatten, die für sie vorgesehen waren, wo Grit sie auch abgelegt hatte. Sie hatte die Dinge stets wiedergefunden, allerdings lagen sie dann durcheinander. Grit konnte sich nicht daran erinnern, die Dinge überhaupt berührt zu haben, jemand anderer mußte es getan haben.
Sie hatte mit ihrem Mann Peter gesprochen. Der hatte sie nur so verständnislos angeschaut, daß Grit sich weitere Fragen schenkte.
Auch mit Tochter Celia hatte sie gesprochen. Deren Reaktion war schon eine andere. Etwas verlegen, nicht mal überrascht, aber auch bockig.
Auf Nachfragen hatte Celia steif und fest behauptet, daß diese Dinge von ihr nicht angerührt worden waren.
Grit Wayne hatte es hingenommen. Sie gehörte zu den Menschen, die jedem Streß gern aus dem Weg gingen, wenn eben möglich, und deshalb hatte sie sich auch mit weiteren Fragen zurückgehalten.
Es waren immer wieder Kleinigkeiten vorgekommen, über die sie sich hatte wundern müssen, aber nie so schlimm wie an diesem Nachmittag.
Gern hätte sie jetzt ihren Mann Peter zur Seite gehabt. Das war nicht möglich. Seine Firma hatte den Techniker ins Ausland geschickt. Er arbeitete in Frankreich, in der Stadt Lyon, am Aufbau einer Fabrik. In den nächsten
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