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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Héloïse hatte nur eins gegessen –, legte Tom dem Jungen ein drittes Stück vor.
    Da klingelte das Telefon.
    »Laßt mich das machen«, sagte Tom. »Pardon.« Seltsam, so ein Anruf in der heiligen französischen Mittagsstunde. Er erwartete keinen. »Hallo«, sagte er.
    »Hallo, Tom! Ich bin’s, Reeves.«
    »Moment, bleiben Sie dran.« Tom legte das Telefon auf den Tisch und sagte zu Héloïse: »Ferngespräch. Ich nehme es oben entgegen – nur falls ich laut sprechen muß.« Er lief die Treppe hinauf, hob in seinem Zimmer ab, sagte Reeves erneut, er solle kurz warten, lief wieder hinunter und legte unten auf. Was für eine glückliche Fügung, dieser Anruf von Reeves, dachte er dabei, denn der Junge würde wohl einen neuen Paß brauchen, und Reeves war genau der Richtige dafür. »Da bin ich wieder«, sagte Tom. »Was gibt’s Neues, mein Freund?«
    »Ach, nicht allzu viel«, sagte Reeves Minot mit seiner rauhen, amerikanischen, naiv klingenden Stimme. »Nur eine Kleinigkeit… Naja, darum rufe ich an. Kann ein Freund von mir bei Ihnen unterkommen, nur für eine Nacht?«
    Gerade jetzt paßte Tom das gar nicht. »Wann?«
    »Morgen abend. Der Mann heißt Eric Lanz. Kommt von hier. Nach Moret findet er alleine, Sie brauchen ihn also nicht vom Flughafen abzuholen. Aber es wäre besser, wenn er nicht in einem Pariser Hotel übernachten müßte.«
    Toms Hand umkrampfte nervös den Hörer. Natürlich würde der Mann etwas bei sich haben. Reeves arbeitete vor allem als Hehler. »Ja, klar. Sicher«, sagte Tom. Wenn er ablehnte, würde ihm Reeves bei seiner eigenen Bitte nicht so weit entgegenkommen. »Nur für eine Nacht?«
    »Ja, das ist alles. Dann fährt er nach Paris. Sie werden schon sehen. Kann jetzt nicht mehr sagen.«
    »Ich soll ihn in Moret abholen? Wie sieht er aus?«
    » Er wird Sie erkennen. Der Mann ist Ende Dreißig, mittelgroß, schwarzes Haar. Ich habe den Zugfahrplan vor mir, Tom: Er kann morgen abend den Achtuhrneunzehn schaffen. Das ist die Ankunftszeit.«
    »Na gut.«
    »Begeistert klingen Sie nicht. Aber die Sache ist schon wichtig, und ich wäre Ihnen –«
    »Selbstverständlich mache ich das, Reeves, alter Junge! Da ich Sie gerade am Apparat habe: Ich brauche einen amerikanischen Paß. Montag schicke ich Ihnen ein Foto, per Eilbrief, Sie sollten es spätestens Mittwoch haben. Ich nehme an, Sie sind in Hamburg?«
    »Sicher, selber Ort«, sagte Reeves jovial, als betreibe er einen Teeladen, dabei war in seinem Haus an der Alster – genauer, in seiner Wohnung – einmal eine Bombe hochgegangen. »Für Sie?« fragte Reeves.
    »Nein, für einen jüngeren Mann. Nicht über einundzwanzig, Reeves, also keinen alten, abgegriffenen Paß. Schaffen Sie das? – Ich melde mich wieder.«
    Tom legte auf und ging nach unten. Madame Annette hatte Himbeereis serviert. »Tut mir leid«, sagte er. »Nichts Wichtiges.« Er bemerkte, daß der Junge besser aussah, wieder Farbe bekommen hatte.
    »Wer war das?« fragte Héloïse.
    Sie fragte ihn selten, wer angerufen habe, außerdem wußte er, daß sie Reeves Minot mißtraute oder mindestens nicht mochte. Dennoch sagte er: »Reeves aus Hamburg.«
    »Er kommt hierher?«
    »O nein, er wollte nur hallo sagen«, erwiderte Tom. »Kaffee, Billy?«
    »Nein, danke.«
    Wie üblich trank Héloïse nach dem Mittagessen keinen Kaffee. Tom sagte, Billy wolle einen Blick in ein Buch von ihm werfen, Jane’s Fighting Ships, deshalb ging er mit dem Jungen auf sein Zimmer.
    »Verdammt ärgerlich, dieser Anruf«, sagte Tom. »Ein Hamburger Freund von mir will, daß ich einen seiner Freunde morgen bei mir aufnehme. Nur für eine Nacht. Ich konnte nicht nein sagen, weil ich ihn brauche – Reeves, meine ich.«
    Frank nickte. »Soll ich ein Zimmer nehmen, in einem nahen Hotel oder so? Oder einfach gehen?«
    Tom schüttelte den Kopf. Er lag auf dem Bett, auf den Ellbogen gestützt. »Er bekommt dein Zimmer, du nimmst meins, und ich schlafe bei Héloïse. Dieser Raum bleibt also zu – ich werde unserm Gast sagen, wir würden die Holzameisen vergasen und die Tür müßte geschlossen bleiben.« Er lachte. »Keine Angst, Montag morgen ist er weg, da bin ich fast sicher. Ich habe schon andere Freunde von Reeves hier übernachten lassen.«
    Frank hatte den Holzstuhl genommen, der an Toms Schreibtisch stand. »Ist der Mann, den Sie erwarten, einer Ihrer… interessanten Freunde?«
    Tom lächelte. »Den Kerl kenne ich gar nicht.« Reeves Minot aber war einer seiner »interessanten Freunde«. Auch

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