Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)
draußen. Ist Billy zurück?«
Sie drehte sich um und setzte sich auf. »Er ist oben.«
Tom ging zum Wagen, um den Mann zu holen. Er stellte Lanz seiner Frau vor, erbot sich dann, ihm sein Zimmer zu zeigen. Da kam Madame Annette ins Wohnzimmer, und Tom sagte: »Monsieur Lanz, Madame Annette. Keine Umstände, Madame, ich führe unseren Gast selbst auf sein Zimmer.«
Oben in dem Raum, der bis eben Franks Zimmer gewesen war und in dem sich nun nichts mehr von ihm fand, fragte er: »War das in Ordnung? Daß ich Sie meiner Frau als Eric Lanz vorgestellt habe?«
»Ha, ha, mein richtiger Name! Selbstverständlich, hier geht das in Ordnung.« Eric stellte seine Reisetaschen neben dem Bett ab.
»Gut«, sagte Tom. »Da ist das Bad. Kommen Sie bald herunter, dann trinken wir drei etwas.«
War es wirklich nötig gewesen, fragte sich Tom abends um zehn, daß Eric Lanz in seinem Haus übernachtete? Der Mann würde morgen den Neunuhrelf von Moret nach Paris nehmen und versicherte Tom, er komme auch per Taxi nach Moret, wenn ihm das lieber sei. Tom wollte morgen mit dem Jungen nach Paris fahren, doch davon würde er dem Mann nichts sagen.
Beim Kaffee erzählte Lanz von Berlin, Tom hörte nur mit halbem Ohr hin. Jede Menge Spaß, Nachtleben vielerorts bis zum frühen Morgen, alle möglichen Leute, echte Typen, offene Menschen, alles war möglich. Nicht viele Touristen, nur die meist spießigen Ausländer, die Konferenzen besuchten. Ausgezeichnetes Bier. Lanz trank gerade ein Mützig, das es in Morets Supermarkt gab, und fand es besser als Heineken. »Aber für mich gibt’s nur eins: Pilsner Urquell, vom Faß!« Anscheinend bewunderte er Héloïse und versuchte, sich vor ihr von seiner besten Seite zu zeigen. Tom hoffte, ihre Gegenwart werde ihn nicht so beflügeln, daß er ihr am Abend noch seine Juwelen zeigte. Das wäre komisch: einer hübschen Frau Schmuck vorzuführen und ihn gleich wieder wegzunehmen, weil er einem nicht gehörte.
Jetzt sprach Eric über die drohenden Streiks in der deutschen Industrie – falls es dazu käme, die ersten seit damals in den Jahren vor Hitler, wie er sagte. Er hatte etwas Umständliches an sich, etwas allzu Gefälliges. Zum zweitenmal stand er auf, um das Schwarz und Elfenbein der Cembalotasten zu bewundern. Héloïse, die sich so langweilte, daß sie ein Gähnen unterdrücken mußte, entschuldigte sich noch vor dem Kaffee.
»Angenehme Nacht, Monsieur Lanz. Schlafen Sie gut.« Sie lächelte und ging nach oben.
Lanz schaute ihr verträumt hinterher, als würde er gerne das Bett mit ihr teilen, für eine noch angenehmere Nacht. Er war aufgestanden, fiel fast vornüber, verbeugte sich ein zweitesmal: »Madame!«
»Was macht Reeves?« fragte Tom beiläufig. »Immer noch in derselben Wohnung?« Er lachte leise. Reeves Minot und Gaby, die im Haushalt aushalf, waren nicht dort gewesen, als in der Wohnung eine Bombe hochgegangen war.
»Ja, und er hat noch dieselbe Haushälterin, Gaby! Sie ist ein Schatz. Kennt keine Angst! Na ja, sie mag Reeves. Er bringt ein bißchen Aufregung in ihr Leben, verstehen Sie?«
Tom setzte sich auf. »Dürfte ich die Schmuckstücke sehen, die Sie erwähnten?« Wenigstens könnte er etwas für seine Bildung tun.
»Sicher.« Lanz stand wieder auf, warf einen Blick auf seine leere Kaffeetasse, das leere Drambuie-Glas. Den letzten, hoffte Tom.
Sie gingen die Treppe hinauf ins Gästezimmer. Da war Licht unter der Tür von Toms Zimmer: Er hatte dem Jungen gesagt, er solle die Tür abschließen, und ging davon aus, daß Frank das auch getan hatte, weil es etwas Dramatisches hatte. Lanz öffnete eine der unförmigen Reisetaschen, kramte tief unten darin herum, in einem falschen Boden vielleicht, und zog ein zusammengefaltetes purpurrotes, samtartiges Tuch hervor, das er aufs Bett legte. Die Juwelen waren in das Tuch eingewickelt.
Das Halsband aus Diamanten und Smaragden ließ Tom kalt. Er hätte es nicht einmal gekauft, wenn es erschwinglich gewesen wäre, weder Héloïse noch sonstwem. Außerdem lagen da etliche Ringe, einer mit einem ziemlich großen Diamanten, ein anderer mit einem einzelnen Smaragd.
»Und dann diese beiden. Saphire.« Eric Lanz ließ das Wort auf der Zunge zergehen. »Woher sie kommen, verrate ich Ihnen nicht. Aber sie sind wirklich wertvoll.«
Ob Elizabeth Taylor wohl kürzlich ausgeraubt worden war? Tom fand es erstaunlich, daß die Leute eigentlich häßlichen, ja sogar abscheulich kitschigen Dingen wie diesem Halsband soviel Wert beimaßen.
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