Der junge Gelehrte
1747
Personen :
Chrysander, ein alter Kaufmann Damis, der junge Gelehrte, Chrysanders Sohn Valer Juliane Anton, Bedienter des Damis Lisette
Der Schauplatz ist die Studierstube des Damis .
Erster Aufzug
Erster Auftritt
Damis (am Tische unter Buechern) . Anton.
Damis . Die Post also ist noch nicht da?
Anton . Nein.
Damis . Noch nicht? Hast du auch nach der rechten gefragt? Die Post von Berlin—
Anton . Nun ja doch; die Post von Berlin; sie ist noch nicht da! Wenn sie aber nicht bald koemmt, so habe ich mir die Beine abgelaufen. Tun Sie doch, als ob sie Ihnen, wer weiss was, mitbringen wuerde! Und ich wette, wenn's hoch koemmt, so ist es eine neue Scharteke oder eine Zeitung oder sonst ein Wisch.—
Damis . Nein, mein guter Anton; dasmal moechte es etwas mehr sein. Ah! wann du es wuesstest—
Anton . Will ich's denn wissen? Es wuerde mir weiter doch nichts helfen, als dass ich einmal wieder ueber Sie lachen koennte. Das ist mir gewiss etwas Seltnes?—Haben Sie mich sonst noch wohin zu schicken? Ich habe ohnedem auf dem Ratskeller eine kleine Verrichtung; vielleicht ist's ein Gang? Nu?
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Der junge Gelehrte
Damis (erzuernt) . Nein, Schurke!
Anton . Da haben wir's! Er hat alles gelesen, nur kein Komplimentierbuch.—Aber besinnen Sie sich. Etwa in den Buchladen?
Damis . Nein, Schurke!
Anton . Ich muss das Schurke so oft hoeren, dass ich endlich selbst glauben werde, es sei mein Taufname.—Aber zum Buchbinder?
Damis . Schweig, oder—
Anton . Oder zum Buchdrucker? Zu diesen dreien, Gott sei Dank! weiss ich mich, wie das Faerbepferd um die Rolle.
Damis . Sieht denn der Schlingel nicht, dass ich lese? Will er mich noch laenger stoeren?
Anton (beiseite) . St! Er ist im Ernste boese geworden. Lenk ein, Anton.—Aber, sagen Sie mir nur, was lesen Sie denn da fuer ein Buch? Potz Stern, was das fuer Zeug ist! Das verstehen Sie? Solche Krakelfuesse, solche fuerchterliche Zickzacke, die kann ein Mensch lesen? Wann das nicht wenigstens Fausts Hoellenzwang ist—Ach, man weiss es ja wohl, wie's den Leuten geht, die alles lernen wollen. Endlich verfuehrt sie der boese Geist, dass sie auch hexen lernen.—
Damis (nimmt sein muntres Wesen wieder an) . Du guter Anton! Das ist ein Buch in hebraeischer Sprache.—Des Ben Maimon Jad chasaka.
Anton . Ja doch; wer's nur glauben wollte! Was Hebraeisch ist, weiss ich endlich auch. Ist es nicht mit der Grundsprache, mit der Textsprache, mit der heiligen Sprache einerlei? Die warf unser Pfarr, als ich noch in die Schule ging, mehr als einmal von der Kanzel. Aber so ein Buch, wahrhaftig! hatte er nicht; ich habe alle seine Buecher beguckt; ich musste sie ihm einmal von einem Boden auf den andern raeumen helfen.
Damis . Ha! ha! ha! das kann wohl sein. Es ist Wunders genug, wenn ein Geistlicher auf dem Lande nur den Namen davon weiss. Zwar, im Vertrauen, mein lieber Anton, die Geistlichen ueberhaupt sind schlechte Helden in der Gelehrsamkeit.
Anton . Nu, nu, bei allen trifft das wohl nicht ein. Der Magister in meinem Dorfe wenigstens gehoert unter die Ausnahme. Versichert! der Schulmeister selber hat mir es mehr als einmal gesagt, dass er ein sehr gelehrter Mann waere. Und dem Schulmeister muss ich das glauben; denn wie mir der Herr Pfarr oft gesagt hat, so ist er keiner von den schlechten Schulmeistern; er versteht ein Wort Latein und kann davon urteilen.
Damis . Das ist lustig! Der Schulmeister also lobt den Pfarr, und der Pfarr, nicht unerkenntlich zu sein, lobt den Schulmeister. Wenn mein Vater zugegen waere, so wuerde er gewiss sagen: Manus manum lavat. Hast du ihm die alberne Gewohnheit nicht angemerkt, dass er bei aller Gelegenheit ein lateinisches Spruechelchen mit einflickt? Der alte Idiote denkt, weil er so einen gelehrten Sohn hat, muesse er doch auch zeigen, dass er einmal durch die Schule gelaufen sei.
Anton . Hab ich's doch gedacht, dass es etwas Albernes sein muesse; denn manchmal mitten in der Rede murmelt er etwas her, wovon ich kein Wort verstehe.
Damis . Doch schliesse nur nicht daraus, dass alles albern sei, was du nicht verstehst. Ich wuerde sonst viel albernes Zeug wissen.—Aber, o himmlische Gelehrsamkeit, wieviel ist dir ein Sterblicher schuldig, der dich Erster Aufzug
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Der junge Gelehrte
besitzt! Und wie bejammernswuerdig ist es, dass dich die wenigsten in deinem Umfange kennen! Der Theolog glaubt dich bei einer Menge heiliger Sprueche, fuerchterlicher Erzaehlungen und einiger uebel angebrachten Figuren zu besitzen. Der
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