Der junge Gelehrte
verdammten Plaudern meinen Gang auf den Ratskeller ganz und gar. Ich bin gleich wieder zu Ihren Diensten.
Damis . Bleib itzt hier; bleib hier.
Anton . Aber Ihr Herr Vater koemmt. Hoeren Sie? Wir koennten doch nicht weiterreden. (Geht ab.) Damis . Wenn mich doch mein Vater ungestoert lassen wollte. Glaubt er denn, dass ich so ein Muessiggaenger bin wie er?
Zweiter Auftritt
Damis . Chrysander.
Chrysander . Immer ueber den verdammten Buechern! Mein Sohn, zuviel ist zuviel. Das Vergnuegen ist so noetig als die Arbeit.
Damis . O Herr Vater, das Studieren ist mir Vergnuegens genug. Wer neben den Wissenschaften noch andere Ergoetzungen sucht, muss die wahre Suessigkeit derselben noch nicht geschmeckt haben.
Chrysander . Das sage nicht! Ich habe in meiner Jugend auch studiert; ich bin bis auf das Mark der Gelehrsamkeit gekommen. Aber dass ich bestaendig ueber den Buechern gelegen haette, das ist nicht wahr.
Ich ging spazieren; ich spielte; ich besuchte Gesellschaften; ich machte Bekanntschaft mit Frauenzimmern.
Was der Vater in der Jugend getan hat, kann der Sohn auch tun; soll der Sohn auch tun. A bove majori discat arare minor! wie wir Lateiner reden. Besonders das Frauenzimmer lass dir, wie wir Lateiner reden, de meliori empfohlen sein! Das sind Narren, die einen jungen Menschen vor das Frauenzimmer aerger als vor Zweiter Auftritt
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Der junge Gelehrte
Skorpionen warnen; die es ihm, wie wir Lateiner reden, cautius sanguine viperino zu fliehen befehlen.—
Damis . Cautius sanguine viperino? Ja, das ist noch Latein! Aber wie heisst die ganze Stelle?
Cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum Sanguine viperino Cautius vitat?—
Oh, ich hoere schon, Herr Vater, Sie haben auch nicht aus der Quelle geschoepft ! Denn sonst wuerden Sie wissen, dass Horaz in ebender Ode die Liebe als eine sehr nachteilige Leidenschaft beschreibt, und das Frauenzimmer—
Chrysander . Horaz! Horaz! Horaz war ein Italiener und meinet das italienische Frauenzimmer. Ja vor dem italienischen warne ich dich auch! das ist gefaehrlich! Ich habe einen guten Freund, der in seiner Jugend—Doch still! man muss kein Aergernis geben.—Das deutsche Frauenzimmer hingegen, o das deutsche! mit dem ist es ganz anders beschaffen.—Ich wuerde der Mann nicht geworden sein, der ich doch bin, wenn mich das Frauenzimmer nicht vollends zugestutzt haette. Ich daechte, man saehe mir's an. Du hast tote Buecher genug gelesen; guck einmal in ein lebendiges!
Damis . Ich erstaune—
Chrysander . O du wirst noch mehr erstaunen, wenn du erst tiefer hineingehen wirst. Das Frauenzimmer, musst du wissen, ist fuer einen jungen Menschen eine neue Welt, wo man so viel anzugaffen, so viel zu bewundern findet—
Damis . Hoeren Sie mich doch! Ich erstaune, will ich sagen, Sie eine Sprache fuehren zu hoeren, in der wahrhaftig diejenigen Vorschriften nicht ausgedruckt waren, die Sie mir mit auf die hohe Schule gaben.
Chrysander . Quae, qualis, quanta! Jetzt und damals! Tempora mutantur! wie wir Lateiner sagen.
Damis . Tempora mutantur? Ich bitte Sie, legen Sie doch die Vorurteile des Poebels ab. Die Zeiten aendern sich nicht. Denn lassen Sie uns einmal sehen: was ist die Zeit?—
Chrysander . Schweig! die Zeit ist ein Ding, das ich mir mit deinem unnuetzen Geplaudre nicht will verderben lassen. Meine damaligen Vorschriften waren nach dem damaligen Masse deiner Erfahrung und deines Verstandes eingerichtet. Nun aber traue ich dir von beiden so viel zu, dass du Ergoetzlichkeiten nicht zu Beschaeftigungen machen wirst. Aus diesem Grunde rate ich dir also—
Damis . Ihre Reden haben einigen Schein der Wahrheit. Allein ich dringe tiefer. Sie werden es gleich sehen.
Der Status Controversiae ist—
Chrysander . Ei, der Status Controversiae mag meinetwegen in Barbara oder in Celarent sein. Ich bin nicht hergekommen mit dir zu disputieren, sondern—
Damis . Die Kunstwoerter des Disputierens zu lernen? Wohl! Sie muessen also wissen, dass weder Barbara noch Celarent den Statum—
Chrysander . Ich moechte toll werden! Bleib Er mir, Herr Informator, mit den Possen weg, oder—
Damis . Possen? diese seltsamen Benennungen sind zwar Ueberbleibsel der scholastischen Philosophie, das ist wahr; aber doch solche Ueberbleibsel—
Zweiter Auftritt
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Der junge Gelehrte
Chrysander . Ueber die ich die Geduld verlieren werde, wann du mich nicht bald anhoerst. Ich komme in der ernsthaftesten Sache von der Welt zu dir,—denn was ist ernsthafter als heiraten?—und du—
Damis .
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