Der junge Gelehrte
Heiraten? Des Heiratens wegen zu mir? zu mir?
Chrysander . Ha! ha! Macht dich das aufmerksam? Also ausculta et perpende!
Damis . Ausculta et perpende? ausculta et perpende? Ein gluecklicher Einfall—
Chrysander . Oh, ich habe Einfaelle—
Damis . Den ich da bekomme!
Chrysander . Du?
Damis . Ja, ich. Wissen Sie, wo sich dieses ausculta et perpende herschreibt? Eben mache ich die Entdeckung; aus dem Homer. O was finde ich nicht alles in meinem Homer?
Chrysander . Du und dein Homer, ihr seid ein paar Narren!
Damis . Ich und Homer? Homer und ich? wir beide? Hi! hi! hi! Gewiss, Herr Vater? O ich danke, ich danke.
Ich und Homer! Homer und ich! —Aber hoeren Sie nur: sooft Homer—er war wirklich kein Narr, so wenig wie ich—sooft er, sag ich, seine Helden den Soldaten zur Tapferkeit ermuntern oder in dem Kriegsrate eine Beratschlagung anheben laesst; sooft ist auch der Anfang ihrer Rede: Hoeret, was ich vortragen werde, und ueberlegt es! Zum Exempel in der Odyssee:
“Keklute dae nun meu, Ithakhsioi, oti ken eipo .” [Greek]
Und darauf folgt denn auch oft :
“Oy eiath' oi d' ara tau mala men chluon, aed' epithonto,” [Greek]
das ist : so sprach er, und sie gehorchten dem, was sie gehoeret hatten.
Chrysander . Gehorchten sie ihm? Nu, das ist vernuenftig! Homer mag doch wohl kein Narr sein. Sieh zu, dass ich von dir auch widerrufen kann. Denn wieder zur Sache: ich kenne, mein Sohn—
Damis . Einen kleinen Augenblick Geduld, Herr Vater. Ich will mich nur hinsetzen und diese Anmerkung aufschreiben.
Chrysander . Aufschreiben? was ist hier aufzuschreiben? Wem liegt daran, ob das Spruechelchen aus dem Homer oder aus dem Gesangbuche ist?
Damis . Der gelehrten Welt liegt daran; meiner und Homers Ehre lieget daran! Denn ein Halbhundert solche Anmerkungen machen einen Philologen. Und sie ist neu, muss ich Ihnen sagen, sie ist ganz neu.
Chrysander . So schreib sie ein andermal auf.
Damis . Wenn sie mir aber wieder entfiele? Ich wuerde untroestlich sein. Haben Sie wenigstens die Guetigkeit, mich wieder daran zu erinnern.
Zweiter Auftritt
7
Der junge Gelehrte
Chrysander . Gut, das will ich tun; hoere mir nur jetzt zu. Ich kenne, mein Sohn, ein recht allerliebstes Frauenzimmer; und ich weiss, du kennst es auch. Haettest du wohl Lust—
Damis . Ich soll ein Frauenzimmer, ein liebenswuerdiges Frauenzimmer kennen? Oh, Herr Vater, wenn das jemand hoerte, was wuerde er von meiner Gelehrsamkeit denken?—Ich ein liebenswuerdiges Frauenzimmer?—
Chrysander . Nun wahrhaftig; ich glaube nicht, dass ein Gastwirt so erschrecken kann, wenn man ihm schuld gibt, er kenne den oder jenen Spitzbuben, als du erschrickst, weil du ein Frauenzimmer kennen sollst. Ist denn das ein Schimpf?
Damis . Wenigstens ist es keine Ehre, besonders fuer einen Gelehrten. Mit wem man umgeht, dessen Sitten nimmt man nach und nach an. Jedes Frauenzimmer ist eitel, hoffaertig, geschwaetzig, zaenkisch und zeitlebens kindisch, es mag so alt werden, als es will. Jedes Frauenzimmer weiss kaum, dass es eine Seele hat, um die es unendlich mehr besorgt sein sollte als um den Koerper. Sich ankleiden, auskleiden und wieder anders ankleiden; vor dem Spiegel sitzen, seinen eignen Reiz bewundern; auf ausgekuenstelte Mienen sinnen; mit neugierigen Augen muessig an dem Fenster liegen: unsinnige Romane lesen und aufs hoechste zum Zeitvertreibe die Nadel zur Hand nehmen: das sind seine Beschaeftigungen; das ist sein Leben. Und Sie glauben, dass ein Gelehrter, ohne Nachteil seines guten Namens, solche naerrische Geschoepfe weiter als ihrer aeusserlichen Gestalt nach kennen duerfe?
Chrysander . Mensch, Mensch! deine Mutter kehrt sich im Grabe um. Bedenke doch, dass sie auch ein Frauenzimmer war! Bedenke doch, dass die Dinger von Natur nun einmal nicht anders sind! Obschon, wie wir Lateiner zu reden pflegen, nulla regula sine exceptione. Und so eine Exzeption ist sicherlich das Maedchen, das ich jetzt im Kopfe habe und das du kennst.—
Damis . Nein, nein! ich schwoere es Ihnen zu; unsere Muhmen ausgenommen und Julianen—
Chrysander . Und Julianen? bene!—
Damis . Und ihr Maedchen ausgenommen, kenne ich kein einziges Weibsbild. Ja, der Himmel soll mich strafen, wenn ich mir jemals in den Sinn kommen lasse, mehrere kennenzulernen!
Chrysander . Je nun, auch das! wie du willst! Genug, Julianen, die kennst du.
Damis . Leider!
Chrysander . Und eben Juliane ist es, ueber die ich deine Gedanken vernehmen moechte.—
Damis . Ueber Julianen? meine Gedanken
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