Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Prolo g
Messina auf Sizilien, im Oktober 1347
I hr seid Brüder vom Deutschen Orden, nicht wahr? «
Konrad von Tiefenbrunn nickte nur missmutig. Das böswillige Gesicht des Mannes gefiel ihm nicht. Er war es gewohnt, in seinem weißen Umhang mit dem schwarzen Kreuz nicht überall auf Gegenliebe zu stoßen. Dennoch konnte er sich nur selten dazu durchringen, den meist bloß durch Blicke, Worte und Gesten geäußerten Feindseligkeiten der Menschen mit der gleichen Milde zu begegnen, wie sie seinem Bruder Crispin zu eigen war.
» Was wollt Ihr hier? « , fragte der sonnengegerbte, kleingewachsene Wirt weiter, der sich keine Mühe gab, seine Abneigung zu verbergen.
» Wein und eine warme Mahlzeit, wenn’s beliebt « , knurrte Konrad und fasste dabei unwillkürlich unter seinen Mantel und an den Griff seines großen, scharfen Schwertes. Dieser Sizilianer begann ihm auf die Nerven zu gehen.
» Das meinte ich nicht « , erwiderte der Wirt ungerührt, während er bereits dabei war, den fünf ungeliebten Gästen von seinem schlechtesten Wein einzuschenken. Er entschuldigte sich nicht einmal, als einige rote Tropfen auf den Mantel des jungen Bruders Friedrich spritzten.
» Was meinst du dann? « , fragte Konrad und kostete von dem bitteren Wein, woraufhin er angewidert das Gesicht verzog.
» Ihr Leute aus den Ländern jenseits der Alpen habt hier nichts mehr verloren. Die Zeiten der Züge ins Heilige Land sind vorüber, keines Eurer Schiffe muss mehr von Sizilien aus übersetzen. Und auch die Ära Eurer Kaiser aus dem Geschlechte der Staufer hat ein trauriges Ende gefunden. Alle Bande zwischen Euch und unserer Insel sind nun gelöst, wir brauchen Euch hier nicht mehr und haben Euch hier nie gebraucht. «
Das waren klare Worte.
» Ich verstehe « , erwiderte Konrad bloß und kippte mit einer gleichgültig wirkenden Geste den Fusel auf den Boden. » Jetzt hätten wir gerne besseren Wein und etwas zu essen. «
Dabei griff er erneut unter seinen weißen Mantel und holte aus einem dort verborgenen Beutel drei Silbermünzen hervor, die er vor dem Wirt auf den Tisch warf. Dieser machte sogleich große Augen, und sein Gesicht begann sich wie durch ein Wunder zu erhellen.
» Wie der Herr wünschen « , stieß er rasch aus, langte flink nach dem Geld und dem Krug mit gepanschtem, saurem Wein und kehrte im Nu mit einem größeren Krug zurück, dessen Inhalt von kräftigerem Rot und zudem auch kräftigerem Duft war.
» So wollen wir es haben « , grinste Konrad und zwinkerte seinen Brüdern zu. » Hier auf Sizilien ist es doch nicht notwendig, einen Wein zu trinken, der schlimmer schmeckt als unsere Kulmer Traube. «
Die anderen lachten, wohl wissend, wie ungenießbar der ordenseigene Rebensaft aus dem kalten Nordosten des Kontinents war.
Sie waren fünf an der Zahl: Konrad, dessen Ritterbruder Crispin, dann noch der junge Ritteranwärter Friedrich sowie die beiden gestandenen, tapferen Sariantbrüder Walter und Bertold, denen allein ihre nichtadelige Herkunft den Ritterstand versagte. Eine monatelange Reise durch zahlreiche Balleien, die Zweigstellen ihres Ordens, hatten sie hinter sich. Aufgebrochen von der unweit des nördlichen Ostmeeres gelegenen Marienburg, hatten sie in einem großen Bogen Thüringen, Westfalen, Lothringen und Franken durchquert, überall Station gemacht, um dann den beschwerlichen Weg über die Alpen zu den Ordensbesitzungen in Italien anzutreten. Im Gepäck einen Auftrag ihres Hochmeisters Heinrich von Dusemer. Vordergründig ging es dabei um die Visitation der Balleien. Konrad und dessen Leute sollten deren wirtschaftliche, aber auch moralische Situation in Augenschein nehmen und darüber Bericht erstatten– eine wichtige Aufgabe, die dem Hochmeister in dessen weit abgelegenem Sitz ein großes Anliegen war. Tatsächlich gab es da aber noch einen weiteren, einen unausgesprochenen Grund für diese lange Reise: Heinrich von Dusemer war es wichtig, Konrad von Tiefenbrunn für eine ganze Weile fern der Marienburg zu wissen. Es hatte einen Vorfall gegeben, in welchen der mitunter störrische, leicht aufbrausende und wenig umsichtige Ritter verwickelt gewesen war– ein zunächst unbedeutender Vorfall, ein Streit oder vielmehr eine Schlägerei mit zwei jungen Edelleuten. Leider jedoch hatte diese handfeste Auseinandersetzung eine ganze Kette unangenehmer Folgen nach sich gezogen, die den Hochmeister dazu zwangen, seinen Günstling Konrad von Tiefenbrunn möglichst weit fortzuschicken, um nicht nur
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