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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Schultern und ging weiter. Irgendwie hatte er schon ein schlechtes Gewissen, aber er schüttelte ganz schnell den Kopf, als könnte er dadurch die Schuldgefühle aus den Ohren schleudern und hinter sich lassen. Dann schlenderte er munter den Kiesweg durchs erste Dorf entlang.
    Doch plötzlich rief eine laute Stimme hinter ihm: »He, du!« Noah blieb stehen und drehte sich um. Da sah er, dass ein Mann ganz schnell auf ihn zugerannt kam. »Ich hab dich gesehen!«, schrie der Mann und drohte ihm mit seinem knorrigen Finger. »Was fällt dir ein!«
    Noah wartete kurz, doch dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte los. Er musste mit allen Mitteln verhindern, dass er nach Hause zurückgeschickt wurde. Ohne eine Sekunde zu zögern, sauste er davon, so schnell er nur konnte. Dabei wirbelte er unglaublich viel Staub auf, und dieser Staub bildete eine dunkle Wolke, die den restlichen Vormittag auf das erste Dorf herunterrieselte und die Gärten und die frisch gesetzten Frühjahrspflanzen bedeckte. Die Dorfbewohner keuchten und husteten stundenlang. Noah hinterließ also eine Spur der Verwüstung, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, was er angerichtet hatte.
    Erst als er ganz sicher war, dass er nicht mehr verfolgt wurde, verlangsamte er sein Tempo. Da merkte er, dass beim Rennen der Apfel aus seiner linken Tasche herausgefallen war.
    Abb. 1 ZWEI ÄPFEL , einer angebissen
    Macht nichts
, dachte er.
Ich hab ja noch den Apfel in meiner rechten Tasche.
    Doch nein, der zweite Apfel war ebenfalls verschwunden. Dabei hatte Noah gar nicht gehört, wie die Äpfel auf den Boden plumpsten.
    So was Blödes!
, dachte er.
Na, wenigstens hab ich noch einen Apfel in der Hand.
    Doch nein, irgendwo unterwegs war ihm auch dieser Apfel abhandengekommen, und er hatte es nicht gemerkt.
    Wie ungewöhnlich!
, dachte er und ging weiter. Allerdings war er jetzt doch ein bisschen entmutigt. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie hungrig er war. Ein einziger Biss in einen Apfel ist nicht gerade ein angemessenes Frühstück für einen achtjährigen Jungen, vor allem nicht, wenn dieser Junge aufgebrochen ist, um die Welt zu sehen und um große Abenteuer zu erleben.

Kapitel 2 Das zweite Dorf
    Bis zum zweiten Dorf dauerte es wesentlich länger als bis zum ersten.
    Die Strecke erschien Noah endlos, und als er schließlich in der Ferne ein großes Haus mit einem leuchtend roten Dach sah, erinnerte ihn das an den Überraschungsausflug, den seine Mutter vor ein paar Wochen mit ihm unternommen hatte. Bei diesem Ausflug hatten sie in einem kleinen Café mit genauso grellen Dachziegeln Rast gemacht, eine Tasse Tee getrunken und eine Puddingschnitte gegessen. Zu seiner großen Freude gab es in diesem Café in der Ecke einen Flipperautomaten, und gleich beim ersten Versuch schaffte er viereinhalb Millionen Punkte – das war viel, viel mehr als die bisherige Höchstzahl, und der Automat hörte nicht auf zu scheppern und zu klingeln.
    Das war auch eine große Leistung
, dachte Noah. Er hatte sich wie verrückt über seinen Triumph gefreut, an das Gefühl erinnerte er sich genau und auch daran, dass seine Mutter so voller Bewunderung für ihn gewesen war, vor allem, als sie es selbst versuchte und nicht über dreihunderttausend Punkte hinauskam.
    »Haben Sie das gesehen?«, sagte sie dann zu dem Mann, der hinter der Theke stand und mit einem schmutzigen Geschirrhandtuch die Gläser abtrocknete. »Mein Sohn hat beim Flipper gerade viereinhalb Millionen Punkte gemacht.«
    »Na und?«, sagte der Mann, als könnte das jeder.
    »Was heißt hier ›na und‹?«, rief Noahs Mutter, lachte kurz und schaute sich erstaunt um. »Vielleicht wird er eines Tages Weltmeister, und dann können Sie allen Leuten erzählen, dass er hier in Ihrem Café angefangen hat.«
    »Ich glaube nicht, dass es Flipper-Weltmeisterschaften gibt«, sagte der Mann, der aussah, als hätte er seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gelächelt und auch keinen Grund dazu gehabt. »Das ist doch kein richtiger Sport.«
    »Zwanzig Kilometer Gehen auch nicht«, erwiderte Noahs Mutter. »Aber dafür gibt’s bei den Olympischen Spielen sogar eine Medaille.«
    Noah hatte damals gekichert, weil es ihm immer gut gefiel, wenn seine Mutter stolz auf etwas war, das er getan hatte, aber es wunderte ihn auch, dass sie es so furchtbar wichtig fand. (Überhaupt war an diesem Tag alles irgendwie superwichtig für sie. »Wir wollen keine Minute verplempern«, sagte sie, als sie aus dem Café herauskamen, und

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