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Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert

Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert

Titel: Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1878-1942 Carl Sternheim , 1821-1880. Candidat Gustave Flaubert
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Frau.
    FRAU RUSSEK:
    Herr Bach, irre ich nicht.
    BACH: Leider, gnädige Frau.
    FRAU RUSSEK: Warum leider?
    BACH: Weil ich das Unglück habe, für Zeitungen zu schreiben.
    FRAU RUSSEK: Erlauchte Geister können alles anfassen, ohne sich zu

    besudeln. Wenn man nebenher dichtet, vorzüglich dichtet . . .
    BACH: Warum spotten Sie?
    FRAU RUSSEK: Ich spotte nicht. Ich glaube an Ihre Zukunft.
    BACH:
    Die Atmosphäre, in der ich atme, macht meine Zukunft aussichtslos. Kunst gedeiht nicht auf dem Boden einer fiir die Philister zurechtgemachten Meinung, um mein Leben zu fristen, muß ich mich zum Tintenkuli er-niedrigen.
    FRAU RUSSEK: Benutzen Sie den Einfluß Ihrer Feder, sich Menschen von Rang und Ansehen zu verpflichten! Was Ihre Gefühle angeht, so verschweigen Sie sie aus Stolz und aus Vor-sicht. In: einiger Zeit, wenn wir in Berlin sind . . .
    BACH: Dort zu leben, habe ich nicht die Mittel, gnädige Frau.
    FRAU RUSSEK:
    Wer weiß! Benutzen Sic Ihr Talent im Dienst von Leuten, die Ihnen ihre Dankbarkeit beweisen können! Aber es ist spät. Es wird mir ein Vergnügen sein, Sic wiederzusehen, Herr Bach.
    Sie will geben.
    BACH öffnet das Tor und tritt ein :
    Im Namen Gottes, bleiben Sie! So lange habe ich diese Gelegenheit herbeigesehnt, tausend Listen vergeblich an-gewandt, zu Ihnen zu gelangen. Und eben schien mir, Sie erwarteten etwas von mir. Befehlen Sie, ich gehorche blindlings!

    FRAU RUSSEK : Welche Ergebenheit!
    BACH:
    Denn Sic erfüllen mich ganz. Steige ich, um besser zu sehen, manchmal den Hügel über dem Städtchen hinan, suchen meine Augen Ihr liebes Haus, weiß, im grünen Garten versteckt. Erscheinen Sie, weithin, auf der Straße, packt mich Schwindel. Mein Blick hängt an Ihrem Schleier, der, ein blaues Wölkchen, hinter Ihnen weht. Wie oft, Sie zu sehen, stand ich vor diesem Gitter. Auf dem Kies hoffte ich das Rauschen Ihres Kleides zu hören. Hub Ihre Stimme zu sprechen an, das kleinste Wort schien mir von unfaßbarem Wert, und ich trug es fort mit mir, ein klingendes Kleinod. Verzeihen Sic mir! Stoßen Sie mich nicht von sich! Ich erkühnte mich, Verse zu schicken, Worte, die ich nachts an Sie richte, denn Sic sind mir Inspiration, Muse, Verzückung und Qual.
    FRAU RUSSEK:
    Mein Mut, Sie anzuhören, erstaunt mich selbst. Doch die Leute hier haben böse Zungen; die geringste Unbe-sonnenheit kann Sie verderben.
    BACH:
    Stumm wird mein Auge, mein Mund scin.^ Wann zum erstenmal darf ich Sie in Ihrem Hause sehen?
    FRAU RUSSEK:
    Treiben Sic, beeilen Sie nichts! Berauben Sic uns durch jähe Handlungen nicht des Glücks, uns einem höheren Geschick vielleicht hingeben zu dürfen. Und mein Mann ...

    BACH; Ihretwegen will ich ihn in meinem Blatt zum Politiker stempeln. Zu einem Bismarck, wenn Sie wollen.
    FRAU RUSSEK: Er wird es Ihnen lohnen und . . .
    BACH: Was und? Gnädige Frau?
    FRAU RUSSEK: Nicht dem Geschick vorgreifen!
    BACH beugt sich auf ihre Hand: Gnädige Frau!
    EVELYN hinter einem Baum: Ich habe es gewußt!

    DER DRITTE AUFZUG

    Ein hellerleuchteter Saal mit Galerie in einem Wirtshaus, Leere Stühle^ reihenweise aufgestellt.
    ERSTER AUFTRITT
    RUSSEK:
    Wenn ich die Konservativen mit einer Schlange oder einem Drachen vergliche, die alles außer ihnen Leben-dige verschlingen möchten? Das ist verbraucht. Mo-derne Schlagworte: Schrapnell, Brisanz, Totalität; über-haupt für die ganze Rede einen Vorrat gängiger 'Worte: Weltanschauung und Kultur, markig, völkisch, groß-zügig und — schürfen. Schürfen - kann ich zwei oder dreimal bringen. Da ist der Platz des Präsidenten.
    Er zeigt auf einen Tisch.
    Rechts und links die Protokollführer. Und ich? Wo stehe ich? Ich brauche eine Tribüne.
    Er stellt einen Stuhl umgekehrt vor sichy auf den er sich
    stützt. Und ein Glas Wasser.
    Nimmt ein Glas Wasser vom Tisch des Präsidenten: Ist Zucker drin?
    Er kostet.
    Ja!
    Alles sitzt. Der Präsident eröflSiet die Sitzung, und je-mand ergreift das Wort. Wendet sich an mich und fragt mich ... Wo sitzt der Kerl? Rechts, nehmen wir an. Gut. Also wende ich den Kopf mit plötzlichem Ruck -
    Er tuts. Nicht so. Plötzlichem Ruck.
    Er tuts.
    Der Mensch darf nicht zu weit entfernt sitzen.

    Er verläßt seinen Platz und rückt den Stuhl in der ersten Reihe, auf dem der Eingebildete sitzt, und die nebenstehen-den näher zu sich heran. Ich behalte meine ruhig lächelnde Miene und stecke die Hand in die Weste.
    Er besieht sich in einem Handspiegel, Den Kragen tiefer. Das ist zu tief. So sehe ich wie ein Tenor aus — o

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