Der Khmer-Job
die Nazis –, aber Dox reichte, was er gefunden hatte. Er duschte, warf sich in seine unauffällige Touristenmontur und ging ins Hotelrestaurant, um Energie zu tanken. Das Personal kannte ihn längst und die Dame an der Rezeption, der Omelettbäcker und die Serviererin, die ihm den Kaffee einschenkte, begrüßten ihn alle mit einem fröhlichen
Sampeah
, der dem balinesischen
Sembah
ähnelte, welcher ihm in seiner selbst gewählten Heimat zur zweiten Natur geworden war. Der Gruß, bei dem man die Handflächen mit nach oben gerichteten Fingern in Kinnhöhe zusammenlegte, hatte etwas ausgesprochen Freundliches an sich. Ob
Sembah
,
Sampeah
, der thailändische
Wai
oder das indische
Namaste
, die chinesische und japanische Verbeugung, der Handschlag in der westlichen Welt … es war schon eigenartig, dass die ursprüngliche Funktion eines Grußes überall gewesen war, dem Gegenüber zu demonstrieren, dass man nichts Gefährliches in der Hand hielt. Höflichkeit als Verzicht auf eine Waffe. Frieden als Abwesenheit von Krieg.
Er machte vier Ausflüge zu dem üppigen Büffet und schlug damit beinahe eine Stunde tot: gedämpfte Krabben aus Kep, Sternfrüchte aus Indonesien, Baguettes und Croissants und verschiedene Käsesorten im Überfluss – die netteren Hinterlassenschaften der französischen Besatzung. Während er speiste, sah er, wie die Rezeptionistin und ein Hotelmanager mehrere Ausländer zu einem großen, runden Tisch in der Mitte des Restaurants geleiteten. Sie trugen die hier übliche, informelle Geschäftskleidung: Hosen mit Bügelfalte und gestärkte Hemden, kein Jackett, keine Krawatte. Er verfolgte das Händeschütteln und den Austausch der Visitenkarten, erkannte englische Begrüßungsfloskeln in verschiedenen Akzenten. Deutsch, Französisch, irgendetwas Skandinavisches, das er nicht genauerdefinieren konnte. Vermutlich NGOs – Nichtregierungsorganisationen, die in der Stadt waren, um das Land vor Gott weiß was zu retten. Vielleicht gehörten sie sogar zu der UN-Konferenz, die Gant erwähnt hatte.
Ein paar Minuten später betraten zwei durchtrainiert wirkende Khmer in identischen, grauen Hosen, weißen Buttondown-Hemden und praktisch aussehenden schwarzen Schuhen den Raum. Sie sprachen kurz mit dem Manager, der ehrerbietig nickte und dann beiseitetrat. Dox bemerkte, dass die beiden Ohrhörer trugen. Offensichtlich Sicherheitsleute. Als Nächstes würden sie den Raum absuchen. Dox machte sich über den Rest seiner Sternfrucht her und schaltete alle Regungen ab – er zeigte keine Sorge, keine Feindseligkeit, keine auffällige Wachsamkeit, nur ein entspanntes, zufriedenes Einssein mit seiner Umgebung. Er empfand sich ebenso als Teil des Raums wie die Tische und Stühle und würde daher gleichermaßen unauffällig für die Bodyguards bleiben, wer immer sie sein mochten.
Nach ein paar Minuten streckte er sich und sah sich wieder um. Die Leibwächter hatten neben dem Eingang Stellung bezogen. Gerade trat ein Khmer im dunkelblauen Anzug ein – mit einem dichten Schopf grauen Haares, aufrechter Haltung, gelassenem, selbstsicheren Schritt. Ein jüngerer Khmer in einem etwas weniger gut sitzenden Anzug folgte in devoter Haltung dicht hinter ihm. Der Manager begrüßte den älteren Mann mit einem auffällig unterwürfigen
Sampeah
, die zusammengelegten Hände hoch erhoben, den Kopf tief geneigt, bevor er die beiden zu dem Tisch mit den Ausländern führte, die zur Begrüßung allesamt aufstanden. Es gab eine Runde Händeschütteln und noch mehr englische Floskeln. Der Ältere nahm sich einen Moment Zeit, um seinen jungen Begleiter vorzustellen, der sich in Gesellschaft von so vielen ausländischen VIPs offenkundig unbehaglich fühlte.
Dox warf einen Blick zu den Bodyguards. Ihre Körpersprache war nicht über Gebühr wachsam: Offensichtlich warensie überzeugt, den Raum gesichert zu haben. Wenn sie diese Schlussfolgerung ausschließlich auf eine Sichtkontrolle gründeten, war ihr Schutzbefohlener zwar sicher ein wichtiger Mann, stand aber nicht im Rang eines Präsidenten oder Außenministers, denn dann wäre ein Team von Bombenexperten mit Spürhunden vorausgeeilt, nicht nur ein Zwei-Mann-Kontingent. Trotzdem war er offenbar nicht ohne Einfluss – davon zeugten seine Haltung, die untertänige Begrüßung durch den Manager, die Begleitung eines Lakaien, die Art, wie die Ausländer zu seiner Begrüßung alle aufgestanden waren. Er sprach jetzt zu ihnen und obwohl Dox die Worte nicht verstand, erkannte er die
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