Der Khmer-Job
Pose eines kultivierten Gastgebers. Er hatte etwas an sich, das Dox an den Dalai Lama erinnerte – die Haare und der Anzug passten natürlich überhaupt nicht und der Typ war auch jünger, aber er verströmte diese Aura von Mitgefühl, Anspruchslosigkeit und … ja, was? Dankbarkeit? Doch, eine Art freundlicher Dankbarkeit, die nichts Unterwürfiges an sich hatte. In seinen Augen blitzte Humor, was seiner würdevollen Ausstrahlung aber keinen Abbruch tat.
Dox beendete sein Frühstück und ging zur Tür, wobei er jedem Mitglied des Personals im Vorbeigehen einen
Sampeah
und ein Lächeln zukommen ließ. Er konnte die Unterhaltung am runden Tisch zwar nicht verstehen, doch der Khmer schien unter den Ausländern auf herzliche Art Hof zu halten. Dox schenkte ihnen nur ein Minimum an beiläufiger Aufmerksamkeit und mehr widmeten ihm die Bodyguards auch nicht, als er an ihnen vorbei in den hellen Vormittag von Phnom Penh hinaustrat.
Die Sonne hatte ihren Höchststand noch nicht erreicht und die Hitze war relativ erträglich, also beschloss er, zum
Rubie’s
zu laufen. Es war ohnehin leichter, zu Fuß nach Verfolgern Ausschau zu halten, als vom Rücksitz eines Tuk-Tuk aus. Er überquerte die Straße und schlenderte an den imposanten Eisen- undBetonmauern der amerikanischen Botschaft entlang. Schon merkwürdig, diese Festung der Bürokratie auf dem Weg zu einem derart inoffiziellen Treffen zu sehen. Die Gitterstäbe, Mauern und Wachtposten schienen seinen Status zu verkünden: nicht anerkannt, nicht eingebunden, nicht erwünscht. Und doch war er gerade dabei, deren Drecksarbeit zu erledigen. Tja, hatte jemand behauptet, dass das Leben einen Sinn ergeben musste?
Er ging am Rand der grünen Oase von Wat Phnom entlang, dessen gewaltige Betonspitze sich weiß vor dem klaren, blauen Himmel abzeichnete. Ein Dutzend Kinder rauften auf dem Rasen miteinander, während ihre Mütter auf den umliegenden Parkbänken miteinander plauderten. Das waren die Glücklichen, dachte er, sie hatten Mütter, die auf sie aufpassten. Ein paar alte Knaben absolvierten mit arthritischer Vorsicht die Bewegungsabläufe von Tai-Chi-Übungen, während jüngere Männer in weißen Hemden und dunklen Krawatten achtlos an ihnen vorbeigingen, vermutlich auf dem Weg zu Konferenzen oder geschäftlichen Treffen. Normale Menschen, die ihr normales Leben lebten, und doch verbarg sich in ihrer Mitte etwas so Abartiges, dass es dreißigtausend Kinder in Sexsklaven verwandeln konnte. Dox spürte ein warmes Gefühl der Befriedigung bei dem Gedanken, Sorm zu töten, und verdrängte es sofort wieder. Ein Job war ein Job. Über das Wissen hinaus, dass es sich um eine legitime Zielperson handelte, wollte er sich gefühlsmäßig nicht hineinziehen lassen, so oder so.
Er wandte sich nach Süden, parallel zum Ufer, und identifizierte automatisch die hoch gelegenen Punkte an den umliegenden Gebäuden, die sich für einen Heckenschützen am besten eigneten. Zu dieser Stunde waren die Bars alle geschlossen und zum Teil hinter Ständen verborgen, die T-Shirts und allen möglichen Krimskrams anboten. Im Unterschied zu der flirrenden nächtlichen Szenerie wirkte im harschen Tageslicht alles abgenutzt, armselig und traurig. Er kam an einem Laden vorbei,der aufwendig geschnitzte Holzsärge anbot, und fragte sich, ob das unter den gegebenen Umständen ein gutes oder schlechtes Omen war. Nun, das würde sich herausstellen.
Er folgte einem Zickzackkurs Richtung Südwesten und kontrollierte, ob er verfolgt wurde. Er glaubte es nicht, aber bei dem chaotischen Gewimmel war es schwer zu sagen. Die Straßen waren verstopft von Menschenknäueln, die sich in den Schatten der Verkaufsstände drängten, sodass eine Art Zeltstadt entstand, die sich fast bis zur Straßenmitte ausdehnte. Eine dumpfe Kakofonie hüllte ihn ein: Tuk-Tuk-Fahrer, die auf die Hupe drückten, Motorrollerfahrer, die sich durch die Lücken zwischen den Fußgängermassen drängten, Gebrüll, Schreie und Gelächter. Oben verliefen Stromleitungen planlos zwischen den Gebäuden hin und her wie Bindedraht, den ein Blinder verlegt hatte. Rundum feilschten die Leute um alle nur erdenklichen Dinge: Hemden, Schuhe und Unterwäsche, geviertelte Hühner, Rindfleisch, frischen Fisch auf Eis, alle möglichen reparierten Elektronikteile. Die Luft war geschwängert von Dieseldämpfen und dem unvergleichlichen, fauligem Abwasser ähnelnden Geruch der Durian-Früchte. Er liebte jedes kleinste Detail davon.
Irgendwann ließ das Gewimmel
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