Der Klang des Verderbens
»Wir-lieben-Amerika-darum-bleiben-wir-hier«-Philosophie, die sich viele Menschen zu Herzen nahmen. Sie verwendeten sogar den Refrain des Uraltschlagers »Am schönsten ist es zu Hause«, um ihr Motto anzupreisen.
Ein bisschen Besonnenheit tat der Regierung ganz gut. Aber die Vereinigten Staaten verhielten sich wie der apathische Nachbar eines Mordopfers – sie weigerten sich, die Schreie zu hören, die Blutspritzer zu sehen oder auch nur zu versuchen, den Kerl mit dem Messer vom großen Schlachten abzuhalten. Ein Land, das sich frohgemut seinen florierenden Geschäften zuwandte und dabei ignorierte, dass die Nachbarn weiter unten in der Straße gerade in ihren Betten aufgeschlitzt wurden, das waren nicht die USA , in denen Ronnie aufgewachsen war.
»Und nun zu den neuesten Nachrichten über die Tragödie in Bolivien.«
Ronnie fand den Kaffee immer noch nicht und fing nun an, mit Schranktüren zu knallen, um den Fernseher zu übertönen, denn die Nachrichtensprecherin gab mit aufgesetzter Trauermiene gerade die entsetzlichen Einzelheiten zu der neuesten Gräueltat an US -Bürgern im Ausland von sich.
»Gestern haben der amerikanische Botschafter und der bolivianische Präsident einen Kranz am ehemaligen Standort des Missionswerks Youth-United niedergelegt.«
Ehemaliger Standort. Richtig. Weil von dem einst so hübschen, modernen Gebäude, dessen Foto monatelang durch die Nachrichten gegangen war, nichts mehr übrig war. Es existierte nicht mehr, nachdem es mit Blut besudelt und durch ein Feuer vernichtet worden war.
»Die Namen der einundvierzig Opfer wurden in einer schlichten Zeremonie verlesen, die einem Friedenstreffen verschiedener Diplomaten voranging.« Die Sprecherin verstummte, während im Hintergrund eine Stimme mit südamerikanischem Akzent die sehr nordamerikanisch klingenden Namen der Missionare verlas. Die Emilys, die Ambers, die Jasons, die Michaels. Und so viele, viele mehr.
Die Namen dieser jungen Missionare hatten sich tief ins Gedächtnis der US -Bürger geprägt. Es waren größtenteils Highschool-Schüler gewesen – der Jüngste gerade einmal vierzehn Jahre alt –, die in den Sommerferien nach Südamerika gegangen waren, um Frieden zu predigen und humanitäre Hilfe zu leisten. Vor vier Monaten waren sie entführt worden, weil sie in einen blutrünstigen Krieg zwischen einer schwachen, korrupten Regierung und den Drogenkartellen geraten waren. Ronnies eigene Regierung unternahm während der nicht enden wollenden Wochen ihrer Gefangenschaft nichts, um die Jugendlichen zu retten – trommelte sich bloß auf die Brust und forderte Friedensgespräche mit dem Kartell. Es gab keine Rettungsversuche, kein Sondereinsatzkommando, keine SEAL -Gefechte, keine Sanktionen, keine Drohungen. Lediglich lauwarmen Widerspruch.
Die Jugendlichen überlebten es nicht.
Ein Video von ihrer brutalen Massenhinrichtung wurde Anfang Oktober im Internet hochgeladen, damit die ganze Welt es sah.
Hinterher nahm die US -Regierung eine Haltung maßvoller Trauer ein und riet ihren Bürgern, zu Hause zu bleiben, statt ins Ausland zu reisen. Die Gruppierungen, die die große Isolationismus-Strategie vertraten, stellten sich geschlossen dahinter, obwohl angesichts des zarten Alters der Opfer und ihrer schieren Unschuld selbst diese Idioten nicht scheinheilig behaupten konnten, dass die Kinder ihren Tod wissentlich riskiert hätten, indem sie die Sicherheit der US -Grenzen verließen.
Natürlich würde die lauteste dieser Gruppen, die Patrioten für ein Friedliches Amerika, eine solche Meinung nicht allzu laut äußern. Schließlich war ihr Anführer, der gute Reverend Darren Tippett, einer der Gründer des Youth-United-Programms. Wobei Ronnie vermutete, dass er dieses kleine Detail ignorieren und seine Anhänger zu Sitzblockaden aufrufen würde, wenn die immer lauter werdenden Forderungen der Bevölkerung nach irgendeiner Form der Reaktion, die mehr beinhaltete als zwei Diplomaten und einen Kranz, nicht bald verstummte.
Sie fragte sich, ob sich die PFA eines Tages tatsächlich als Landesverräter und Kollaborateure erweisen würden, wie manche ihrer Gegner behaupteten. Eins schien sicher, wenn sie hartherzig über ein paar Jugendliche urteilten, die in einem Dschungel weit weg von zu Hause mit Macheten niedergemetzelt worden waren, dann schon. Hoffentlich hielten sie also einfach die Backen, wenn es um das Massaker ging.
»Was für eine Tragödie«, murmelte Baxter kopfschüttelnd. »Ich muss die ganze Zeit daran
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