Der kleine Klick - Ein Auszug
sportlich schlank, war berufstätig und kinderlos. Als besondere Eigenschaft hob er humorvoll hervor.
Agieren, das war das Zauberwort. Doch wie? Wie nimmt man zu einem völlig fremden Menschen Kontakt auf, was sollte ich schreiben? Ein-Wort-Anreden sind besonders schön. Es gibt doch nichts Schlimmeres, als eine E-Mail zu bekommen, die nur aus dem Wort „Hallo“ besteht. Zwei-Wort-Nachrichten werden auch gerne genommen: „Hallo, Du“. Oder eine Drei-Wort-Nachricht „Hallo, Du da“. Das alles hatte ich schon in meiner vierwöchigen Exkursion ins World Wide Web erleben dürfen. Was antwortet man denn auf ein schlichtes „Hallo“? Ich habe dann immer aus reiner Höflichkeit „ein freundliches Hallo zurück“ geantwortet und einen Smiley dahinter geheftet. Diese stellte die Flirtline als kleine Besonderheit, um die Nachrichten entsprechend zu untermalen, ihren Nutzern zur Verfügung. Diesmal musste ich auch bedenken, dass ich kein Bild hinterlegt hatte, das den Angesprochenen über meine womöglich dürftige Ansprache hinweg trösten könnte. Entschlossen schrieb ich in den Betreff „Einen guten Abend“. Das war schon mal mehr als ein einfaches „Hallo“. Als Anrede wählte ich „Hallo berlin68“, um mich dann mit den Worten „mir ist Dein Profil aufgefallen & ich wünsche Dir noch einen schönen Abend. Gruß liza73“, auch gleich wieder zu verabschieden. Was für ein Desaster! Frustriert über mein eigenes rhetorisches Versagen meldete ich mich für den Abend ab und ging ins Bett.
Jede Frau braucht ein Geheimnis
Das Schöne am Web ist, dass es einem rund um die Uhr zur Verfügung steht. So konnte ich in der Mittagspause meine Neugierde stillen, indem ich nachschaute, ob berlin68 sich gemeldet hätte. Mit einem Lächeln stellte ich fest, dass meine Anrede zwar nicht kreativ, aber offensichtlich für eine Antwort ausreichend war. Er bedankte sich höflich für die Nachricht und baute sogleich die Frage nach einem aktuellen Bild von mir ein. Noch in der Pause habe ich ihm meine Freude über seine Antwort zum Ausdruck gebracht und ihn zum gemeinsamen Chatten auf den Abend vertröstet, da der Schreibtisch wieder nach mir verlangte.
Nach einem langen Arbeitstag und anschließender ermüdender, sportlicher Betätigung, fiel ich mit dem Notebook auf dem Schoß in mein Bett.
Das kleine handliche Gerät hatte schon längst meinen Fernseher als Hauptattraktion in meinem Haushalt abgelöst. Ich meldete mich wie gewohnt an und schon hatte ich Post. Natürlich wurde die Frage nach dem Bild wiederholt.
Ich zog mich vorerst mit der Aussage, dass ich noch kein schönes Bild von mir gefunden hätte, dezent aus der Affäre, versprach aber, gleich noch in der Woche, ihm ein Bild zur Verfügung zu stellen.
Die nächsten 2 Stunden schrieb ich mir fast ausschließlich nur mit berlin68; nebenbei beantwortete ich noch Ein- und Drei-Wort-Nachrichten.
Die Tage vergingen und das Ende der Woche nahte. Ich schrieb nun täglich mit berlin68 und stellte fest, dass er sehr nett war, aber leider nicht das, was ich mir wünschte. Unsere Ansichten waren sehr unterschiedlich, aber er war ein toller „Gesprächspartner“; seine Rechtschreibung war perfekt und seine Wortwahl ausgesprochen gut. Ein toller, gebildeter und sympathischer Mann, dem ich ein Foto versprochen hatte. Mir war es sehr wichtig, mein Bild nicht in den Händen von Kinderschändern, Tierquälern, Spinnern, Machos, Massenmördern oder ähnlich gearteten Menschen zu wissen. Ich stufte ihn als vorerst ungefährlich ein und er bekam mein Bild. Die Freude auf der anderen Seite war groß.
Am frühen Abend des Samstags wurde die Mädchenrunde einberufen. Wir trafen uns schon sehr zeitig, damit die ausgehfreudigen Exemplare von uns, auch liebevoll als „Draußis“ bezeichnet, sich im Anschluss noch auf die Jagd in die Clubs begeben konnten. Die „Drinnis“ hingegen könnten sich dann schnell wieder in ihr trautes Heim zurückziehen. Ich gehöre eindeutig zu den Drinnis. Diese Sorte Mensch verlässt nur dann die Wohnung, wenn ihm Entertainment versprochen wird. Einfaches zielloses in der Kälte rumlaufen, nur um zu sehen, ob die neuen Winterstiefel ihr Geld wert waren, ist für mich kein Argument.
Wie immer herrschte am Tisch großes Geschnatter und Gelächter. Es wurden abenteuerliche Geschichten des anderen Geschlechts zum Besten gegeben und die eine oder andere Träne floss. Die vorherrschende Frage des Abends, von mir an alle herangetragen, lautete: ist ein
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