Jerry Cotton - 2905 - Ein Steckbrief fur den Tod
Phil und ich wollten gerade Feierabend machen, als mein Telefon klingelte. Ich nahm den Hörer ab.
»Agent Cotton.«
»Jerry, könntest du zusammen mit Phil sofort zu uns nach Brooklyn kommen? Wir haben hier einen Mord, der wahrscheinlich in die FBI-Zuständigkeit fällt.«
Ich erkannte die Stimme des Anrufers sofort. Sie gehörte dem NYPD-Detective Malcolm Russell. Wenn Malcolm uns anforderte, dann hatte er gewiss gute Gründe dafür.
»Wir machen uns sofort auf den Weg. Gibst du mir noch die genaue Adresse?«
Der Detective nannte mir den Leichenfundort. Ob es auch der Tatort war, würden die weiteren Ermittlungen zeigen. Malcolm Russell fügte hinzu: »Ein Team der Scientific Research Division ist bereits vor Ort, die Leute vom Coroner sind auf dem Weg. Ich habe den Bereich von uniformierten Kollegen absperren lassen. Amy und ich warten auf euch.«
»Gute Arbeit, Malcolm. Bis gleich.«
Ich legte den Hörer auf. Amy, das war Malcolm Russells Partnerin Amy Stewart. Phil warf mir einen fragenden Blick zu.
»Es sieht ganz so aus, als ob unser Feierabend einstweilen ins Wasser fällt. Tja, das Verbrechen schläft eben nie.«
Doch Phil klang nicht sehr unglücklich, als er von der Aussicht auf Überstunden sprach. Ich konnte ihn verstehen. Erstens hat ein G-man sowieso kaum jemals geregelte Arbeitszeiten. Und zweitens mühten wir uns gerade mit einem sehr langweiligen Fall von bundesweitem Kreditkartenbetrug ab, der stundenlanges Aktenwälzen erforderte. Auch ich hatte nichts dagegen, wenn wir jetzt in den Außendienst gehen konnten. Bevor mein Freund und ich Richtung Brooklyn starteten, gab ich dem Chef telefonisch Bescheid.
»Das geht in Ordnung, Jerry«, sagte Assistant Director High. »Berichten Sie mir die Fakten morgen früh.«
Nach dem Telefonat eilten Phil und ich hinunter in die Tiefgarage, wo ich meinen roten Jaguar-E-Hybriden geparkt hatte.
»Malcolm hat nicht gesagt, worum es genau geht, Jerry?«
»Nein, es war nur von einem Mord die Rede, der in die FBI-Zuständigkeit fallen könnte. Wir müssen uns überraschen lassen.«
Es war ein milder Sommerabend und es würde noch einige Zeit dauern, bis die Dämmerung hereinbrach.
Malcolm Russell hatte mir am Telefon mitgeteilt, dass das Opfer in dem Haus 888 Montrose Avenue gefunden worden war. Als ich in diese breite Straße einbog, konnte ich schon von weitem eine Menschentraube erblicken. Gerade bei dem schönen Wetter waren noch viele Leute draußen unterwegs, und daher hatte sich eine ansehnliche Menge Neugieriger vor dem dreistöckigen Wohngebäude versammelt.
Ich parkte meinen roten Boliden einen Steinwurf weit entfernt und näherte mich dem Haus gemeinsam mit Phil. Wir hatten unsere FBI-Marken am Revers unserer leichten Sommeranzüge befestigt.
Phil und ich drängten uns zwischen den Schaulustigen hindurch. Ein junger Latino-Cop nickte uns zu und hob das gelbe Absperrband für uns. Malcolm Russell und Amy Stewart erwarteten uns vor dem Haus. Der Detective war ein kahlköpfiger Afroamerikaner mit breiten Schultern, seine Dienstpartnerin eine blasse Rothaarige mit aparter Fransenfrisur. Wir gaben den beiden NYPD-Kollegen die Hand. Der farbige Zivil-Cop deutete auf das schäbige Gebäude.
»Das Opfer liegt noch dort, wo es vermutlich niedergeschossen wurde«, berichtete Malcolm Russell. »Der Doc untersucht es gerade, aber wir können gemeinsam einen Blick auf die Leiche werfen.«
Das wollten wir natürlich sofort. Wir mussten uns einen ersten Überblick verschaffen. Phil hatte aber gleich noch eine Frage an den erfahrenen Detective.
»Malcolm, warum ist dieses Tötungsdelikt eigentlich ein FBI-Fall?«
Der Zivil-Cop nickte und senkte seinen Blick auf seinen Notizblock.
»Der Tote hieß Alex Redmond und war ein Kautionsjäger. Er suchte in diesem Haus nach einem gewissen Roy Jordan, der in verschiedenen Bundesstaaten per Haftbefehl gesucht wird. Das haben wir schon herausgefunden. Und da Jordan vermutlich der Mörder ist, fällt der Fall in eure Zuständigkeit.«
***
Es kommt selten vor, dass wir den Namen des Killers hören, bevor wir auch nur die Leiche gesehen haben. Ich wollte mir kein vorschnelles Urteil bilden. Aber ich dachte daran, dass dieser Alex Redmond wahrscheinlich sehr viele Feinde gehabt hatte. Sein Job bringt es natürlich mit sich, dass er sich in der gesamten Unterwelt unbeliebt macht.
Ein Kautionsjäger muss im Staat New York eine Lizenz erwerben. Er jagt nach Straftätern, die nach Kautionszahlungen auf freiem Fuß
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