Der kleine Streitberater
einfach machen dürfen, was sie wollen, denn …
2. Jüngere oder unterlegene Geschwister sind nicht erfunden worden, damit die anderen jemanden haben, an dem sie ihr Ego aufpolieren können.
Und last but not least ist es eine Sache des Umgangs miteinander:
3. Der jeweils Stärkere darf sich gerne überlegen fühlen und die Situation nach Herzenslust genießen, aber er sollte es nicht ständig aussprechen!
Denn auch wenn die Machtkämpfe zwischen Geschwistern offensichtlich unausweichlich und naturgegeben sind, braucht niemand sich x-Mal am Tag sagen lassen »Das kannst du eh nicht« oder »Bist du blöd, Mann«. Oder »Geh weg, du nervst«. Selbst dann nicht, wenn es stimmt.
»Das ist voll gemein«, schimpft mein Kind, als es aus der Schule kommt. »Erst sagen die Lehrer, wir sollen Bescheid sagen, wenn andere ärgern. Aber wenn man dann zur Aufsicht geht, dann schickt die einen immer weg und meint: ›Das müsst ihr schon unter euch ausmachen‹.«
Ich seufze. Offensichtlich gibt es Klassiker in der Kindererziehung, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Der Satz »Das müsst ihr unter euch ausmachen« gehört dazu. Den habe ich als Sechsjährige auch schon zu hören bekommen. Damals schikanierte mich Olli mit seiner geheimen Schulhofbande. Tapfer hatte ich all meinen Mut zusammengenommen und war zur Aufsicht gegangen. Doch der einzige Kommentar der genervten Lehrerin von damals: »Klärt das mal schön unter euch. Ihr seid doch keine Babys mehr.«
Wieso auch nicht? Was soll bitte schön verkehrt sein am Satz »Das müsst ihr unter euch ausmachen«? Eigentlich ist es ja gut, wenn Erwachsene sich nicht einmischen, oder?
Im Prinzip schon. Doch die andere Seite der Medaille ist die, dass hier Kinder zu Erwachsenen kommen und um Hilfe bitten. Offensichtlich wissen sie nicht, wie sie sonst zu ihrem Recht kommen sollen.
Zankereien sind schließlich eine verdammt komplizierte Angelegenheit. So was will gelernt sein. Warum sollten Kinder sich da keine Hilfe von Eltern, Lehrern und Erziehern holen? Beim Schwimmen, Radfahren und schriftlichen Subtrahieren haben wir ihnen ja auch bereitwillig zur Seite gestanden.
Wenn wir uns der Sache annehmen, heißt das ja nicht automatisch, dass wir versuchen, den Streithähnen jede Schwierigkeit aus dem Weg zu räumen. Wenn mein Kind mir beispielsweise
schluchzend erzählt: »Du Mama, Belinda aus meiner Klasse hat mir mein Lineal zerbrochen und in der Pause klaut sie mir dauernd die Salami vom Brot«, dann wünscht sie sich garantiert nicht, dass ich am nächsten Tag in der Schule auftauche und mir diese Belinda mal gehörig zur Brust nehme. Aber wahrscheinlich wäre sie sehr dankbar für etwas Ermutigung und ein paar Tipps, wie sie die Situation selbst klären kann. Und genau das ist der springende Punkt, denn mal ehrlich: Wissen wir überhaupt, was wir unseren Kindern im Kampf gegen die Belindas dieser Welt raten könnten? Oder schicken wir sie auch deshalb weg, weil wir gerade beschäftigt sind oder selbst keine Idee haben? Manchmal bedeutet der Spruch »Das müsst ihr schon unter euch klären« in Wahrheit: »Ich lass dich mit deinem Problem allein.«
Sagen Sie Kindern nicht, dass sie ihre Konflikte untereinander lösen sollen. Sagen Sie ihnen lieber, wie sie das tun könnten.
Was kann ich tun, wenn der Geschwisterkampf tobt und meine Kinder lauthals fordern, dass ich Schiedsrichter spiele? In den letzten Jahren haben mich Elternzeitschriften, Nachbarn und RTL2 mit einem Haufen wohlklingender Tipps versorgt. Geholfen haben mir die wenigsten. Also musste ich selbst herumprobieren.
Das folgende Ritual ist meine ganz persönliche Streitschlichtertaktik. Eigentlich ist es so simpel, dass ich selbst nicht begreife, warum es so gut funktioniert.
Signalisieren Sie Ihren Kindern: Es geht mir nicht darum, euch zur Rede zu stellen. Ich bin hier als euer Hilfsmittel, damit ihr etwas unter euch klären könnt.
Nehmen wir mal eine ganz normale Situation, wie sie sich so oder ähnlich ein Dutzend Mal am Tag ereignet: Stellen Sie sich vor, bei Ben und Nina ist mal wieder Stunk. Ben will seine Taschenlampe haben, die aber in Ninas Zimmer liegt. Nina verbietet Ben, das Zimmer zu betreten. Die beiden fangen an zu streiten, rangeln an der Zimmertür und fordern lautstark, dass ich den Streit schlichte.
Und schon kann es losgehen:
1. Der eine darf erzählen, was passiert ist.
Zum einen Kind: »Es ist egal, wer anfängt, da ihr beide drankommt. Deshalb fange ich
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