Der Knochenjäger
Blick auf die Eleventh Avenue und das Javits Center auf der anderen Straßenseite, Im Foyer wimmelte es von Menschen - Schaulustige und Presse. Auf einem riesigen Spruchband stand Ein herzliches Willkommen den UN-Delegierten! Aber am frühen Morgen, als die Straße menschenleer war, hätte der Täter hier mühelos einen Parkplatz finden und das Opfer unbemerkt zu den Gleisen schleppen können. Sachs ging zur Eleventh Avenue und betrachtete die sechsspurige Straße, auf der sich der Verkehr staute.
Packen wir's an.
Sie trat mitten zwischen die Pkws und Lkws und riegelte kurzerhand sämtliche Spuren in Richtung Norden ab. Etliche Fahrer versuchten sich durchzuschlängeln, so daß sie zwei Verwarnungen aussprechen und schließlich mehrere Mülltonnen mitten auf die Straße schleppen und eine Barrikade errichten mußte, damit die braven Bürger ihrer Pflicht nachkamen.
Endlich fiel Sachs auch der nächste Punkt der Verhaltensregeln am Tatort ein.
S steht für Sichern des Tatorts.
Wütendes Hupen schallte durch die dunstige Morgenluft, kurz darauf untermalt von den aufgebrachten Rufen der Fahrer. Wenig später hörte sie, wie Sirenen in das allgemeine Getöse einstimmten, als die ersten Einsatzwagen eintrafen.
Vierzig Minuten später wimmelte es am Tatort von Uniformierten und Kriminalpolizisten, Dutzenden von Kripoleuten - viel mehr, als bei einem Mord in Hell's Kitchen gerechtfertigt schien, so grausig die Tat auch sein mochte. Aber das hier, so erfuhr Sachs von einem anderen Polizisten, war ein heißer Fall, ein gefundenes Fressen für die Medien - bei dem Opfer handelte es sich um einen Fluggast, der gestern nacht am John E Kennedy Airport gelandet, gemeinsam mit einer Mitreisenden in ein Taxi gestiegen und in die Stadt gefahren war. Keiner von beiden war zu Hause angekommen.
»CNN schaut uns auf die Finger«, flüsterte der Uniformierte.
Daher war Amelia Sachs nicht weiter überrascht, als sie sah, wie Vince Peretti, der blondgelockte Chef der Investigation & Resource Division, des zentralen Kriminaldezernats, die Böschung hinaufkletterte, oben kurz innehielt und den Staub von seinem Tausend-Dollar-Anzug klopfte.
Überrascht war sie allerdings, als sie feststellte, daß er Notiz von ihr nahm, das glattrasierte Gesicht zu einem schmalen Lächeln verzog und sie zu sich winkte. Vermutlich erntete sie ein wohlwollendes Nicken für ihre Kletterpartie. Wollte die Fingerabdrücke auf der Leiter nicht beschädigen, Jungs. Vielleicht gab es sogar eine Belobigung. Am letzten Tag, an dem sie Streifendienst schob, in allerletzter Stunde. Ein wahrhaft ruhmreicher Abgang.
Er musterte sie von oben bis unten. »Streifenpolizistin, Sie sind doch keine Anfängerin mehr, oder ? Davon gehe ich einfach mal aus.«
»Wie bitte, Sir?«
»Sie sind doch keine Anfängerin mehr, nehme ich an.«
Genaugenommen war sie das nicht, obwohl sie erst drei Dienstjahre auf dem Buckel hatte; andere Streifenpolizisten in ihrem Alter waren meist bereits seit neun oder zehn Jahren dabei. Sachs hatte ein paar Jahre lang gegammelt, ehe sie die Akademie besucht hatte. »Ich weiß nicht recht, worauf Sie hinauswollen.«
Er warf ihr einen entnervten Blick zu und hörte auf zu lächeln. »Sie waren doch zuerst am Tatort?«
»Ja, Sir.«
»Warum haben Sie die Eleventh Avenue gesperrt? Was haben Sie sich dabei nur gedacht?«
Sie schaute die breite Straße entlang, die noch immer mit Mülltonnen versperrt war. Sie hatte sich mittlerweile an das Gehupe gewöhnt, stellte jetzt aber fest, daß es wirklich ganz schön laut war. Die Autos stauten sich inzwischen kilometerweit.
»Sir, der erste Polizist vor Ort hat die Aufgabe, den Täter festzunehmen, Zeugen ausfindig zu machen, den Tatort -«
»Ich kenne die Dienstvorschriften, Officer. Sie haben also die Straße gesperrt, um den Tatort zu sichern?«
»Ja, Sir, Ich glaube nicht, daß der Täter in der Querstraße geparkt hat. Von den Wohnungen dort hätte er leicht beobachtet werden können. Sehen Sie? Die Eleventh Avenue war meiner Meinung nach die bessere Wahl.«
«Nun, Ihre Meinung war falsch. Es gibt keinerlei Fußspuren jenseits der Gleise, aber zwei, die zu der Leiter führen, über die man hinauf zur Siebenunddreißigsten gelangt.«
»Die Siebenunddreißigste habe ich ebenfalls gesperrt.«
»Darauf will ich ja hinaus. Das hätte gereicht, mehr Sperren wären nicht nötig gewesen. Und der Zug?« fragte er, »Warum haben Sie den angehalten?«
»Na ja, Sir. Ich dachte, wenn der Zug mitten
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