Galaxis Science Fiction Bd. 14
DAS OBSERVATORIUM……
Lothar Heinecke
In meinem Kino um die Ecke wird in den nächsten Tagen wieder einmal ›Schock‹ gegeben. Dieser englische Film schildert das bedauernswerte – man kann auch sagen widerliche – Schicksal eines Raumfahrers, der draußen in der Dunkelheit des Alls von irgend etwas Unheimlichem infiziert wurde, das ihn langsam aber sicher zu einer vielarmigen, schleimigen Monstrosität werden läßt, die – nachdem sie mehrere Menschen und einen ganzen Tierpark verspeist hat – sich endlich – ausgerechnet! – in die Londoner Westminster Abbey verkriecht und dort mit Hilfe von Starkstrom ins Jenseits befördert wird.
(Falls Sie diesen Film noch nicht gesehen haben, trösten Sie sich – Sie haben wirklich nichts versäumt) So unappetitlich die ganze Sache also auch ist, das Schlimmere daran ist jedoch, daß überhaupt immer wieder Filme dieser Art auf ein nichts Böses argwöhnendes Publikum losgelassen werden, obwohl – und hier ein kräftiges Gott sei Dank! – sie wohl an der Tatsache nichts mehr ändern können, daß die Monster im großen und ganzen im Sterben liegen – womit jene ›glotzäugigen Ungeheuer‹ gemeint sind, die sich noch bis vor einem Jahrzehnt durch die Seiten der meisten Science-Fiction-Magazine wälzten und im Grunde zu nichts anderem nütze waren, als dem blonden, blauäugigen jungen Helden Gelegenheit zu geben, die ebenso junge unschuldvolle Maid aus ihren Klauen zu retten.
Ja, das waren damals in jener ›guten alten Zeit‹ der Science Fiction die Lieblinge der Leser: BEMS – bug-eyed-monsters –, junge Raumschiffkapitäne, die man mit Cowboys nur deshalb nicht verwechseln konnte, weil sie statt des Colts eine Strahlpistole an der Hüfte baumeln hatten, und ›Space-Girls‹ . Dazu kam noch – um das Wort ›Science‹ in Science Fiction zu rechtfertigen – der übergeschnappte Wissenschaftler, der mit Hilfe von Todesstrahlen oder ähnlichen Erfindungen die Herrschaft über die Erde antreten wollte.
Nun, wir wollen ihr diese Verirrungen nicht weiter verübeln. Der erste Weltraumroman wurde zwar schon vor langer Zeit geschrieben – die ›Wahren Geschichten‹ des Griechen Lukian im zweiten nachchristlichen Jahrhundert –, aber Science Fiction, wenn wir darunter den Zukunftsroman amerikanischer Prägung verstehen wollen, war damals noch verhältnismäßig jung und gerade in ihrer Sturm- und Drang-Periode. Sie ist auch heute noch nicht sehr alt – knapp an die fünfzig Jahre, kein Wunder also, daß sie ihre Kinderkrankheiten noch nicht ganz überwunden hat. Aber schließlich und endlich sollte die Tatsache, daß jemand in seiner Jugend ein arger Lausebengel war, nicht ausschließen, daß er später ein wertvolles Mitglied der menschlichen Gesellschaft werden kann.
Und gerade das zu werden, ist Science Fiction im Begriff zu tun. Natürlich braucht es Zeit, bis über gewisse Dummheiten Gras gewachsen ist, und in verschiedenen Kreisen wird, wenn man von Science Fiction spricht, immer noch die Nase gerümpft. Aber entweder sind diese Leute kleinliche Geister, oder sie reden über etwas, von dem sie nichts verstehen. Denn Science Fiction ist dabei, mit Riesenschritten erwachsen und salonfähig zu werden. Davon zeugen nicht nur die Namen gewichtiger Autoren, von denen immer mehr ihren Romanen ein Science-Fiction-Kleid anpassen, nicht nur der dadurch bedingte Anstieg der literarischen Qualität, sondern auch der immer weiter gespannte Kreis der Themen und ihre Behandlung. Wenn früher der weitaus überwiegende Teil der Geschichten ›Raumabenteuer‹ zum Gegenstand hatte, so sind inzwischen im gleichen Umfang Themen soziologischer, psychologischer, parapsychologischer, ja philosophischer und religiöser Natur hinzugetreten, und auch die ersterwähnte Gattung erscheint im neuen Gewand. Science Fiction setzt sich immer mehr mit der Entwicklung und endgültigen Bestimmung der Menschheit auseinander, sie zeigt – allgemein ausgedrückt – in ihren Geschichten Probleme auf, die im Heute verankert sind, aber erst durch eine Projektion in die Zukunft sichtbar gemacht und deutlicher herausgestellt werden können.
Kurz gefaßt: sie ist aus einer Literatur der Monster und des Schreckens zu einer Literatur der Ideen geworden.
In seinem Buch ›Die Bedeutung der Utopie im Leben der Völker‹ sagt Paul Tillich: »Der Mensch hat nicht die Möglichkeit zu etwas Bestimmtem, sondern er hat die Möglichkeit an sich. Er ist das Wesen, das imstande ist, über
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