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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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ich und betrachtete die menschenleere Straße vor mir. Jetzt war er fort, und ich kehrte allein nach Kazimierz zurück. Ich merkte, wie mir erneut Tränen in die Augen stiegen.
    Wenig später erreichte ich die ulica Szeroka und damit den großen Platz im Herzen des jüdischen Viertels. Ich blieb stehen und ließ meinen Blick über die Synagogen und die Geschäfte schweifen, die den Platz säumten. Etwas war anders als bei meinem letzten Besuch vor wenigen Wochen. Obwohl es ein Werktag war, hielt sich niemand auf den Straßen auf, zudem herrschte gespenstische Stille. Nirgends unterhielten sich Nachbarn von einem offenen Fenster zum anderen, vor keinem Geschäft standen hitzig debattierende Männer, und nirgendwo schleppten Frauen mit Kopftüchern Lebensmittel oder gebündeltes Brennholz. Es war so, als sei über Nacht die ganze Nachbarschaft verschwunden.
    Ich beschloss, zur Bäckerei zu gehen und meinen Vater zu begrüßen, bevor ich mich in die Wohnung begab. Das winzige Geschäft mit der angeschlossenen Backstube war sein ganzer Stolz. Vor über dreißig Jahren hatte er es als junger Mann eröffnet, um sich und meine Mutter ernähren zu können, und seitdem stand er täglich hinter der Theke. Selbst nach dem Einmarsch der Deutschen war er nicht davon abzubringen, das Geschäft weiterzuführen, obwohl es an allen Zutaten mangelte und die zahlenden Kunden immer weniger wurden. Er wollte es sich einfach nicht nehmen lassen, Familie, Freunde und Nachbarn mit heimlich produzierten jüdischen Brotsorten zu versorgen – mit Challah-Laiben für den Sabbat und Matzen für das Passah-Fest, all diesen Dingen, die längst verboten waren.
    Natürlich würde er wollen, dass ich meine Koffer in die Ecke stellte und eine der weiten Schürzen umlegte, damit ich ihm beim Backen helfen konnte. Ihm bei der Arbeit zur Hand zu gehen, fehlte mir am meisten, seit ich geheiratet und Kazimierz verlassen hatte. Stundenlang unterhielten wir uns, wenn wir die Teige einrührten und kneteten, und oft erzählte er mir Geschichten aus seiner Kindheit, Geschichten über meine Großeltern, die ich nie kennengelernt hatte, und über den großen Gemischtwarenladen, den sie einst nahe der Grenze zum Deutschen Reich besaßen. Manchmal hielt er mitten in seinen Erzählungen inne und summte leise etwas vor sich hin. Ich musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, woran er dachte, während er dastand und lächelte, den dunklen Bart vom Mehl weiß gefärbt.
    An der Ecke ulica Józefa bog ich nach links ab und blieb vor der Bäckerei stehen. Ich versuchte, die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich mich im Wochentag geirrt hatte und das Geschäft wegen des Schabbes geschlossen war. Das letzte Mal, dass mein Vater aus einem anderen Grund als diesem nicht geöffnet hatte, war der Tag meiner Geburt gewesen. Ich spähte durch das Schaufenster, drinnen war alles dunkel. Unbehagen kam in mir auf. Vielleicht stimmte etwas nicht, womöglich war er oder meine Mutter krank. Ein Schauder lief mir über den Rücken, während ich mich in Richtung ulica Miodowa auf den Weg machte.
    Nur ein paar Minuten später betrat ich den schwach beleuchteten Flur jenes Hauses, in dem ich bis zur Heirat mein ganzes Leben verbracht hatte. Die Luft war beißend und schwer vom Geruch nach Kohl und Zwiebeln. Ich ging die Treppen hinauf und stellte schließlich schwer atmend mein Gepäck ab, dann öffnete ich die Wohnungstür. “Hallo?”, rief ich und ging ins Wohnzimmer. Die Morgensonne schickte ihre Strahlen durch die zwei Fenster in den Raum. Als ich mich umsah, dachte ich daran, wie wenig es mir ausgemacht hatte, in solch beengten Verhältnissen aufzuwachsen. Seit ich aber mit Jakub verheiratet war und bei seiner Familie wohnte, kam mir das Zuhause meiner Kindheit irgendwie verändert vor. Bei meinem ersten Besuch nach unseren Flitterwochen waren mir die vergilbten Gardinen und die ausgefransten Sofakissen zuwider gewesen, so als würde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, wie klein und unordentlich unsere Wohnung war. Ich empfand Schuldgefühle, dass ich meine Eltern hier zurückließ, während ich mit Jakub im Komfort lebte. Doch sie schien es nicht zu stören, schließlich war dies hier das einzige Zuhause, das sie kannten. Und jetzt muss ich wieder hier leben, dachte ich und wünschte, es müsste nicht so sein. Sofort schämte ich mich für meine Überheblichkeit.
    “Hallo?” Diesmal hatte ich meine Stimme etwas angehoben. Keine

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