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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Eins
    Ein Graureiher wartete im Schilf, den Schnabel stoßbereit über dem Wasser. Als sich die Gefängnistore für den Mann öffneten, tauchte der Fisch weg, ein Blitz im teebraunen Wasser.
    Siebzehn Uhr dreißig. Praktisch Wochenende.
    Wachen, die es kaum erwarten konnten, nach der langen Schicht heimzukommen.
    Die Bewährungspapiere des Mannes unter einem Namen abgelegt, der nicht der seine war.
    Seine Finger schlossen sich um den Hundert-Rand-Schein der Prisoners’ Friend Society . Die Adresse des christlichen Rehabilitationszentrums, das seine Ankunft erwartete, hatte er schon weggeworfen.
    Der Mann überquerte die verlassene Straße.
    Er trug eine geborgte Hose, eine Jacke, aus der die knochigen Handgelenke ragten, und ein weißes Hemd. Die Sachen rochen nach dem Verhandlungstag eines anderen, nach dem Schweiß, den der endlos scheinende Augenblick der Urteilsverkündung auslöst.
    Die letzten Strahlen der schwachen Augustsonne warm im Rücken, wartete er ab.
    Die Wachen packten zusammen, während das Radio die Lokalnachrichten aus Kapstadt ausspuckte.
    In der Ferne das Rattern eines Minibus-Taxis.
    Es erreichte die Anhöhe, und er presste den strohdünnen Leib in den Straßengraben.
    Der Fahrer hielt an. Die Wachen sahen auf: Die Ablösung traf ein. Keine besonderen Vorfälle. Der Donnerstagabend
würde ruhig bleiben. Die Übergabe wurde abgeschlossen, sie stiegen ins Taxi und rasten heim.
    Es wurde dunkel.
    Der Häftling klopfte seine Kleider ab und richtete den Blick fünfzig Meter nach vorn. Eine Gefängnishoflänge.
    Der Ex-Häftling.
    Er schnürte über die Weinbauflächen, ein Schatten, der zwischen den dicht gepflanzten Rebstöcken entlanghuschte.
    Die kleinen Kläffer, die zwischen den Arbeiterhütten eingeschlafen waren, wachten auf und schlugen an.
    Eine Frau auf dem Heimweg blieb stehen. Sie lauschte kurz, bis die Hunde verstummten, und ging dann weiter. Unschlüssig.
    Der Mann beobachtete sie gelassen. Das Gefängnis tilgt den Geruch eines Mannes, es lehrt ihn die Kunst des Wegtauchens.
    Ãœber ihm die Sterne, befreit von dem vergitterten Quadrat, das seine Nächte jahrelang eingegrenzt hatte.
    Auf der Veranda eines Farmhauses mit Giebeldach hoben ein paar Hunde den Kopf. Und senkten ihn wieder. Drinnen am Feuer tranken die Besitzer Brandy und überflogen dabei die Schlagzeilen des Tages.
    Ohne auch nur ein bisschen langsamer zu werden, schritt er durch die Nacht.
    An der Kreuzung orientierte er sich kurz und schlug dann den Weg nach Kapstadt ein.
    Â 
    Niemand würde auf ihn warten.
    Seit der Beisetzung seiner Mutter wartete niemand mehr auf ihn. Seit ihr Zuhälter fünfmal auf seine siebenundzwanzig Jahre junge Mutter geschossen hatte.
    Zweimal ins Gesicht, zweimal ins Herz, einmal in ihre Vagina.

    Damals hatte er gehofft, dass ihn jemand zu sich holen würde. Doch nach der Beisetzung hatte ihn niemand haben wollen. Nur der Zuhälter, der ihn festgehalten hatte, damit ein alter Mann ihn ausprobieren konnte, und der zusammen mit dem Alten über sein Blut und seine Tränen gelacht hatte.
    Entgelt für die Kugeln, die der Zuhälter verschwendet hatte, um seine aufsässige Mutter zu töten.
    Er war in den kalten Kapstadter Nieselregen eingetaucht, hatte eine Fahrradspeiche angespitzt und war zu der illegalen Bar aufgebrochen, wo der Mörder seiner Mutter saß. Ein Bier in der einen Hand, ein Mädchen in gelben Hotpants in der anderen.
    Er hatte dem Zuhälter die Speiche in den Rücken gejagt und aufwärtsgeschoben, bis die Spitze das Herz durchbohrt hatte. Dann war er in der Nacht verschwunden.
    Verzeih mir, Mom.
    Das hatte er mit Tinte in die Haut über seinem Herzen tätowiert.
    Vrou is gif.
    Das stand auf der anderen Brustseite und galt der Hure in den gelben Shorts, die im Gerichtssaal auf ihn gezeigt hatte.
    Frau ist Gift.
    Â 
    Ein Minibus-Taxi mit einer Ladung von Nachtarbeitern hielt an. Er setzte sich an ein Fenster und sah die neuen Siedlungen vorbeiziehen. Villas, die sich hinter bewachten Schranken versteckten; ein menschenleeres Fußballstadion, an dessen Stacheldrahtumzäunung bewaffnete Wachmänner mit ihren angeleinten deutschen Schäferhunden patrouillierten; ein Einkaufszentrum mit Sonderangebots-Werbung.
    Jahrelang war er weg gewesen.
    Für die Reichen hatte sich manches geändert.

    Die Straßen verengten sich zu verstopften Schlagadern.

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