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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Namensliste und blätterte weiter. “Ja, hier. Ulica Limanowa 21, Wohnung sechs.”
    “Dann möchte ich bei ihnen sein.” Ein überraschter Ausdruck huschte über sein Gesicht, langsam öffnete er den Mund.
Er wird mir sagen, ich darf nicht hinein
, dachte ich und verspürte einen Moment lang Erleichterung. Doch dann überlegte er es sich anders, schrieb meinen Namen zu denen meiner Eltern auf die Liste und ging zur Seite, um mich durchzulassen. Ich zögerte und blickte in beiden Richtungen die Straße entlang, ehe ich das Ghetto betrat. Hinter mir fiel laut das Tor ins Schloss.
    Drinnen schlug mir der Gestank menschlicher Ausscheidungen wie eine massive Wand entgegen, und ich musste mich zwingen, nicht zu würgen. Während ich bemüht war, nur flach und nicht durch die Nase zu atmen, fragte ich einen Mann nach der ulica Limanowa. Auf meinem Weg durch das Ghetto bemühte ich mich, nicht die ausgemergelten Passanten in ihrer schmutzigen Kleidung anzusehen, die mich – die Neue – mit unverhohlener Neugier anstarrten. Ich bog in die ulica Limanowa ein und ging bis zu der Hausnummer, die der Wachmann mir gesagt hatte. Das Gebäude machte auf mich den Eindruck, als sei es bereits zum Abriss vorgesehen. Ich öffnete die Haustür und stieg die Treppe hinauf. Im oberen Stockwerk angekommen, zögerte ich kurz und wischte die verschwitzten Handflächen an meinem Rock ab. Durch das verrottende Holz einer der Wohnungstüren hindurch hörte ich die Stimme meiner Mutter. Tränen stiegen mir in die Augen. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht glauben wollen, dass meine Eltern tatsächlich hergebracht worden waren. Ich holte tief Luft, dann klopfte ich an.
    “Nu?”
, hörte ich meinen Vater rufen. Seine Schritte wurden lauter, dann öffnete er die Tür. Bei meinem Anblick bekam er große Augen. “Emmala!”, rief er, schlang seine Arme um mich und drückte mich so fest an sich, dass ich dachte, er würde mich zu Boden reißen.
    Hinter ihm stand meine Mutter und hielt verkrampft ihre Schürze fest. Ein Schatten lag über ihren Augen. “Was machst du hier?”, wollte sie wissen. Als mein Vater mich endlich losließ, zog sie mich in die Wohnung.
    Ich sah mich um und konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Hier sollten sie wohnen? Das Zimmer war klein und düster, modrig feuchter Schimmelgeruch lag in der Luft, die trübe Scheibe im einzigen Fenster wies einen Sprung auf. Dagegen wirkte unsere bescheidene Wohnung in Kazimierz fast luxuriös. Es war nicht zu übersehen, dass meine Mutter ihr Bestes gab, um es hier wohnlich zu machen. Vor dem Fenster hingen blassgelbe Vorhänge, und ein großes Laken teilte den Raum in zwei Bereiche – einen zum Schlafen und einen mit gerade eben Platz für zwei Stühle und einen kleinen Tisch. Trotz dieser Bemühungen bot die behelfsmäßige Unterkunft einen entsetzlichen Anblick.
    “Ich kam nach Kazimierz, um bei euch zu bleiben, aber ihr wart nicht mehr da.” Mir entging nicht der vorwurfsvolle Unterton in meiner Stimme: Warum habt ihr mir nicht gesagt, wohin ihr geht? Warum habt ihr mir nicht wenigstens eine Notiz hinterlassen?
    “Wir hatten nur eine halbe Stunde, dann mussten wir aus der Wohnung sein”, erklärte mein Vater und zog einen Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte. “Uns blieb keine Zeit, dir Bescheid zu geben. Wo ist Jakub?”
    “Seine Arbeit”, antwortete ich nur. Meine Eltern nickten stumm. Meine Worte überraschten sie nicht, sie waren sich über Jakubs politische Aktivitäten durchaus im Klaren. Neben der Tatsache, dass er kein orthodoxer Jude war, hatten sie sich bei ihm auch an dieser Sache gestört.
    “Du solltest nicht hier sein”, sagte mein Vater besorgt und ging in dem kleinen Zimmer auf und ab. “Wir sind älter, an uns wird sich vermutlich niemand stören. Es sind die Jüngeren, die sie …” Er musste den Satz nicht zu Ende führen. Wer im Ghetto den Deportationsbefehl erhielt, der saß in der Falle, ohne jede Möglichkeit zur Flucht.
    “Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte”, erwiderte ich den Tränen nahe.
    “Na ja”, meinte Mutter und nahm meine Hand. “Wenigstens sind wir jetzt wieder vereint.”
    Am nächsten Morgen meldete ich mich im jüdischen Verwaltungsgebäude, um mich vom Judenrat erfassen zu lassen. Der Rat bestand aus einer Gruppe von Leuten, die von den Deutschen den Auftrag erhalten hatten, die inneren Angelegenheiten im Ghetto zu regeln. Ich bekam eine Arbeit im Waisenhaus zugewiesen. Man konnte von Glück reden, dass

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