Der Kuss, der mein Leben veränderte (Kurzgeschichte)
gefährlichste Art. Breitbeinig positionierte ich mich mitten auf der Straße und wartete.
Quietschend kam der LKW nur einen Meter vor mir zum Halten. Zum Glück hatten seine Bremsen nicht versagt, sonst wäre ich jetzt Mus, und irgendwer müsste mich von der Straße kratzen. Mein Herz schlug bis zum Hals und pumpte Adrenalin durch meine Adern.
„Lady, sind Sie lebensmüde?“
Die Fahrertür öffnete sich. Ein Mann stieg aus. Mit seiner Größe und den muskelbepackten Armen gab er eine stattliche Figur ab. Das änderte sich jedoch binnen eines Sekundenbruchteils. Seine dunklen Augen blitzten merkwürdig. Und wenn ich mich nicht täuschte, kräuselten sich seine Lippen zu einem hämischen Grinsen unter dem Vollbart. Die Verwandtschaft zwischen dem Mann und einem Bären kam mir in den Sinn. Meine Freude schlug augenblicklich in Angst um.
„Passen Sie gefälligst auf. Beinahe hätte ich Sie überfahren. Was stehen Sie auch mitten auf der Straße rum?“
Der LKW-Fahrer kam näher, und ich machte ein paar Schritte zurück. Das Auftreten des Mannes behagte mir gar nicht. Augenblicklich bereute ich meine Unerschrockenheit. Mein Herz schlug vor Angst schneller als der Takt eines Formel-Eins-Poliden. Vielleicht hatte ich auch einfach nur zu viele zweitklassige Horrorfilme gesehen. Dennoch konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mein eben noch neugeborener Mut völlig fehl am Platz gewesen war. Ein eiskalter Windhauch kroch in meine Glieder und ich begann zu schlottern.
„Lady, was ist los? Hat Ihnen noch niemand gesagt, dass Sie für diese Gegend unpassend gekleidet sind?“ Es folgte ein spöttisches Lachen.
Ich rang um Fassung. Bilder von vergewaltigten Frauen rasten an meinem inneren Auge vorbei. Ich brachte kein Wort über die Lippen. Als der Mann sich weitere Schritte näherte, trieb mich die Panik an. Mir entfuhr ein spitzer Schrei, ich machte auf dem Absatz kehrt und floh.
Ich warf den glitschnassen Mantel fort und versuchte, auf den Stöckelschuhen zu meinem Auto zurückzurennen. Das war einfacher gesagt als getan. Hinter mir rief der Mann noch etwas, aber ich war bereits zu weit entfernt, um ihn zu verstehen. Ehrlich gesagt wollte ich das auch nicht. Während ich wie von einer Tarantel gestochen davonstürmte, drehte ich mich um und verlor das Gleichgewicht. Schreiend fiel ich auf etwas Hartes, im nächsten Moment wurde mir schwarz vor den Augen.
Plötzlich war meine Angst verschwunden. Was auch immer geschehen war, ich konnte mich nicht erinnern. In meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Doch langsam wuchs ein kleiner Gedanke. Zu diesem Gedanken gesellten sich ein Bild und ein Geruch. Beides war mir vertraut. Das Bild schenkte mir Geborgenheit. Vor mir tauchten glänzend blaue Augen auf. Sie spiegelten Besorgnis wider, aber auch einen Funken ungeheuerlicher Erleichterung. Um die Augen formte sich ein mir allzu bekanntes Gesicht. Schmale Wangen und ein Kinn mit dem typischen Drei-Tage-Bart. Volle Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Eine vorwitzige, blonde Haarsträhne fiel ihm in die Stirn und machte das Gesicht zu dem schönsten und faszinierendsten, welches ich kannte.
„Tassi, öffne die Augen. Bitte tu es für mich. Du bist jetzt in Sicherheit und auf dem Weg ins Krankenhaus. Du hattest verdammtes Glück im Unglück.“
Diese Stimme gehörte zu seinem Gesicht. Diese Stimme gehörte Simon. Simon, dem Mann den ich liebte.
Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte. Es dauerte einen Moment, bis ich wieder einigermaßen klar sehen konnte. Dann schaute ich Simon direkt in die Augen. Er beugte sich direkt über mich.
„Endlich! Ich dachte schon, du wärst schlimmer verletzt, als du auf nichts reagiert hast.“
Verdutzt versuchte ich den Kopf zu drehen, um mich umzuschauen. Stattdessen begann mein Kopf höllisch zu hämmern, und ich stellte fest, dass ich in einer Halskrause feststeckte. Mein Körper fühlte sich schlapp an. Schließlich registrierte ich, dass ich mich in einem Krankenwagen befand.
Simon erkannte meine Verwirrtheit und erklärte mir, dass ich mit dem Auto von der Straße abgekommen, mich überschlagen und dann auf dem Dach liegend im Straßengraben gelandet war. Ein LKW-Fahrer hatte mich gefunden. Bis auf Prellungen und einer Gehirnerschütterung schien ich glimpflich davon gekommen zu sein.
Hieß das, ich hatte fantasiert, während ich bewusstlos gewesen war?
„Du darfst mir nie mehr so einen Schrecken einjagen, Tassi“, flüsterte er mir ins Ohr. „Ich dachte,
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