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Der Kuss des Satyrs

Der Kuss des Satyrs

Titel: Der Kuss des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Aufmerksamkeit. Seit Napoleons Niedergang hatte sich die Mode gewandelt. Die hohe Taille und schlanke Silhouette des Empire-Stils hatte einer romantischeren Mode Platz gemacht. Die Taillen waren jetzt eng geschnürt, und Röcke schwebten über den Boden wie überdimensionierte Schirme.
    Seine Größe erlaubte es ihm problemlos, den Blick über das Gesichtermeer schweifen zu lassen. Er übersprang die männlichen Gesichter und verweilte kurz auf denen der Frauen. Es war nicht anzunehmen, dass er sie erkennen würde, denn sie würde jegliche äußere Manifestation ihrer Herkunft zu verbergen suchen, so wie er. Nein, er würde sich allein auf seine Nase verlassen müssen.
    Am Fuß der steilen Treppe, die zu einem riesigen Wasserorgelbrunnen führte, schaute er hilfesuchend zu der Bacchus-Statue hinüber. Dann schlenderte er instinktiv die Allee der Hundert Brunnen hinunter, die ihren Namen den mit mythologischen Figuren und Wasserspeiern opulent verzierten Brunnenanlagen verdankte.
    Er blieb stehen. Sein Interesse war schlagartig geweckt. Da war er wieder: ein schwacher, aber unmissverständlicher Feenduft. Er machte sich in die Richtung auf, aus der er ihm entgegenwehte, wurde jedoch nach nur wenigen Schritten angehalten, als eine fleischige, in einem kanariengelben Handschuh steckende Hand sich auf seine Schulter legte.
    »Ja, sieh mal einer an. Seid Ihr das, Satyr?«
    Nick drehte sich um. Vor ihm standen zwei Paare, mit denen er weitläufig bekannt war. Er schlüpfte in die Rolle des angesehenen Aristokraten wie in einen sorgfältig auf Maß geschneiderten Frack. Höflich nickte er ihnen zu. »Lord und Lady Hillbrook. Signore Rossini, Signora Rossini.«
    Die heutige Festivität war Lord Hillbrooks Veranstaltung. Oft verbrachten reiche Engländer wie er den Winter in Italien, üblicherweise blieben sie auch noch bis weit in den Frühling, um der englischen Kälte zu entgehen, aber die ersten Anzeichen der berüchtigten italienischen Sommerhitze ließen sie eiligst nach Hause zurückkehren.
    »Man sieht Euch nicht oft zu unseren kleinen Anlässen«, schmeichelte ihm Lord Hillbrook. Er strich sich über seine beachtlichen Bartspitzen, die in alle möglichen Richtungen abstanden, als wären sie unsicher, welche Wendung das Gespräch nehmen sollte. »Eure Anwesenheit ehrt uns sehr.«
    »Ich komme nicht so häufig nach Tivoli, wie ich es gern täte. Aber da ich gerade hier war, wollte ich Eure Festlichkeit nicht versäumen«, erwiderte Nick höflich. »Es ist ein gelungenes Fest und gereicht der Gastgeberin zur Ehre.«
    Lady Hillbrook strahlte bei dem Lob. »Ach, ihr Italiener habt ja so ein Glück mit dem Wetter. In England wäre es wegen des Regens schier unmöglich, zu dieser Jahreszeit ein Gartenfest abzuhalten.«
    »Schon möglich. Aber es gibt auch ein Zuviel an Sonnenschein. Unsere Reben freuen sich über gelegentliche Frühlingsschauer«, sagte Nick. »Zu wenig Regen lässt die Trauben verkümmern.«
    »Ah, da Ihr gerade davon sprecht: Ihr habt hoffentlich nicht vergessen, dass wir bei der Auktion in diesem Herbst fünfzig Kisten brauchen«, erinnerte ihn Signora Rossini. Obwohl es warm war, trug sie ein enggeschnürtes hellrotes Kleid, das einen heroischen Versuch unternahm, ihrem üppigen Körper eine sanduhrähnliche Linie zu verschaffen. Schweißperlen standen ihr auf Stirn und Oberlippe, die sie gelegentlich mit einem mit Monogramm bestickten Taschentuch abtupfte.
    Lady Hillbrook stieß ihren Mann diskret mit dem Ellenbogen in die Seite.
    »Wir brauchen einhundert Kisten«, ließ sich Lord Hillbrook eilig vernehmen.
    »Soll er wie üblich getarnt geliefert werden?«, fragte Signore Rossini.
    Hillbrook nickte und wippte auf den Fußballen. »Wie Ihr wisst, verbieten die englischen Gesetze weiterhin die Einfuhr von Flaschenwein. Die übliche Praxis ist, literweise zu kaufen. Wenn wir also Wein trinken wollen, müssen wir ihn entweder illegal einführen oder aber selbst abfüllen.«
    Er bewegte die Spitze seines Spazierstocks in Richtung von Nicks Wade, als wollte er ihn verschwörerisch anstupsen, doch dann besann er sich eines Besseren und fragte lediglich: »Ich nehme an, Ihr werdet in diesem Jahr einen geradezu obszönen Preis für Eure Ernte verlangen, nicht? Eure Reben scheinen als einzige von der Seuche verschont zu bleiben.«
    Nick versteifte sich. »Wir können uns glücklich schätzen, dass wir noch nicht davon betroffen sind.«
    »Es heißt, alle Weinberge in Europa seien von einer Pest befallen.

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