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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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verzerrtem Gesicht wählte er eine ganz bestimmte Nummer.
    Keine Antwort. Er überlegte eine Weile und wählte dann eine andere Nummer.
    »Hallo?«
    »Enqvist?«
    »Ja.«
    »Hier ist Hasse. Ich weiß, dass ich diese Nummer nicht benutzen soll, aber auf dem anderen Handy warst du nicht zu erreichen.«
    »Das liegt zu Hause. Ich bin im Büro. Was ist los?«
    »Ich habe heute unerwarteten Besuch bekommen, und ich brauche deinen Rat, wie ich in dieser Sache weiter verfahren soll. Axel Hemberg ist vorhin in meinem Geschäft aufgetaucht.«
    »Was du nicht sagst. Was wollte er?«
    »Mir seine Schuldscheine verkaufen, natürlich zu einem günstigen Preis.«
    »Der Kerl ist wirklich dreist. Und dumm dazu. Begreift er denn nicht, dass er sich sein eigenes Grab schaufelt?«
    »Er hat keine Ahnung, dass ich auch dem Kreis angehöre. In diesem Zusammenhang sind wir uns nie begegnet. Vor ein paar Jahren haben wir beide ein paar gute Geschäfte miteinander gemacht, daher kennen wir uns. Er hält mich sicher für einen kleinen Provinzhändler, der keine Gelegenheit auslässt, einen guten Deal zu machen.«
    »Was hat er dir angeboten?«
    »Er kam kurz vor vier und hat mir erzählt, dass er an einem großen Ding dran ist und unbedingt Bares braucht. Er hatte einen ganzen Packen Schuldscheine dabei, die in zwei Monaten zur Bezahlung fällig werden. Er bot an, mir den ganzen Packen für sechzig Prozent des nominellen Wertes zu verkaufen. Als ich 325

    zögerte, ging er auf fünfzig runter. Ich tat so, als wäre ich interessiert, sagte ihm aber, dass ich etwas Zeit brauchte, um das Geld zu beschaffen.
    Wir haben verabredet, dass er heute Abend um zehn zu mir nach Hause kommt.«
    »Und du bist sicher, dass er keinen Verdacht geschöpft hat?«
    »Ganz sicher.«
    »Dann pass auf, dass er dir nicht durch die Lappen geht. Ich wollte schon lange mal ein Wörtchen mit ihm reden. Warte mal, wir sollten … Olof und Robert erledigen einen Auftrag in Västerås. Hast du ihre Nummer?«
    »Ja.«
    »Sie können in einer Stunde bei dir sein. Ruf sie an und sag ihnen, diese Sache geht vor. Ich will Hemberg morgen Abend um neun in der Hütte haben.«
    »Morgen Abend? Was sollen wir bis dahin mit ihm anfangen?«
    »Legt ihn auf Eis. Sprich das mit den beiden ab. Die wissen, wie man so was macht. Ich will aber, dass er in guter Verfassung ist, wenn ich mit ihm rede. Sag ihnen das. Ich will, dass er einen klaren Kopf hat und zu einem normalen Gespräch in der Lage ist. Bereitet ihm keine zu großen Unannehmlichkeiten. Es ist schließlich der letzte Tag seines Lebens.«
    »Wissen sie, wo die Hütte liegt?«
    »Ja. Ruft mich an, wenn’s Probleme gibt, und zwar auf dem Handy. Ich geh jetzt nach Hause.«
    Hans Ramklo legte sein Handy beiseite und ließ sich tiefer in den Sessel sinken. Sein Gesicht war schweißnass, ihm war übel.
    Was hatte er nur getan, um in so etwas hineingezogen zu werden?
    326

    Für einen kurzen Moment überlegte er gar, seinen alten Geschäftspartner zu warnen, um später zu behaupten, dieser habe ihn versetzt. Aber er traute sich nicht. Denn falls das herauskäme, musste er selbst die schlimmsten Konsequenzen befürchten. Er hatte sich stets geschworen, niemals in einen Mord verwickelt zu werden. Doch jetzt blieb ihm keine Wahl.
    Es war zu spät, die Verabredung abzusagen, und was passieren würde, falls er sich seinem Auftraggeber widersetzte, daran wollte er gar nicht erst denken.
    Er ließ den Blick durch den unordentlichen Raum schweifen, der eine beklemmende Einsamkeit ausstrahlte. Noch gestern hatte er mit Majlis auf dem Sofa gesessen und einen schwedischen Spielfilm angeschaut. Zwar hatten sie noch während des Films zu streiten begonnen – eine Auseinandersetzung, die sich bis in die Nacht fortsetzte –, doch angesichts seiner jetzigen Lage kam ihm der gestrige Abend wie die reine Idylle vor.
    Seine Bekanntschaft mit Olof und Robert war äußerst flüchtig.
    Gott sei Dank hatte er bisher nicht viel mit ihnen zu tun gehabt.
    Doch waren ihm gewisse Gerüchte über ihre Brutalität zu Ohren gekommen, und schon bei dem Gedanken, diesen Typen seine Haustür zu öffnen, drehte sich ihm der Magen um. Apropos Magen: Er hatte fürchterlichen Hunger und musste unbedingt etwas essen, ehe sie bei ihm auftauchten.
    Die Küche bot einen traurigen Anblick. In der Spüle türmte sich das Geschirr. Hatte sie möglicherweise auch den Kühlschrank ausgeräumt? Er öffnete die Tür. Ein vertrocknetes Schweinekotelett sowie ein paar

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