Der leiseste Verdacht
habe nicht einmal geschaut, welcher Film gezeigt werden sollte. Fragen Sie mich nicht, wie er hieß oder wovon er gehandelt hat. Das weiß ich alles nicht. Ich muss einen völligen Blackout gehabt haben, denn ich kann mich erinnern, wie ich erschrak, als mich plötzlich jemand an der Schulter schüttelte und sagte, ich müsse das Kino verlassen, der Film sei vorbei. Dann ging ich ziemlich langsam zum Hauptbahnhof, wo ich noch einen Kaffee getrunken und gewartet habe, bis mein Zug ging. Das war um kurz nach elf.«
PM lehnte sich zurück und sah Roffe an. »Das war alles. Mehr kann ich nicht berichten.«
Roffe nickte. »Wollen wir hoffen, dass der Bericht die Gemüter in Stockholm ein wenig beruhigen kann«, sagte er.
Wagnhärad entschuldigte sich, er habe noch ein Menge zu tun, nahm das Aufnahmegerät und verließ den Raum.
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»Zumindest in einem Punkt kannst du beruhigt sein«, sagte Roffe.
»Ja?«
»Die Blutprobe hat ergeben, dass Marianne Wester HIV-negativ war.«
PM schloss für einen Moment die Augen und ließ hörbar die Luft entweichen. Seine Erleichterung war offenkundig.
»Danke, zumindest dafür …«, sagte er, während er an die Decke blickte. Es war unklar, ob er Roffe oder höheren Mächten dankte.
Nachdem sie einige Minuten schweigend am Tisch gesessen hatten, fragte PM: »Wie komme ich jetzt nach Hause?«
Roffe schaute auf die Uhr. »Wann hört Katharina auf?«
»Kommt nicht in Frage«, knurrte PM. »Die arbeitet bis acht, und ich hab keine Lust, hier den ganzen Tag rumzuhängen. Ich wurde mitten aus meiner Arbeit gerissen und hierher geschleppt.
Ich will so schnell wie möglich nach Hause und weitermachen.«
»Okay, okay«, sagte Roffe und hob abwehrend die Hände.
»Dann fahren wir dich eben nach Hause. Bist du jetzt zufrieden?«
»Nicht besonders, aber wenn das dein bestes Angebot ist, muss ich es wohl annehmen.«
Roffe sah seinen Freund forschend an. »Ich hoffe, dass diese Geschichte unsere Freundschaft nicht allzu sehr beeinträchtigt«, sagte er ernst.
»Das Risiko ist nicht von der Hand zu weisen, wenn du mir zwei Bullen auf den Hals hetzt, die mir sagen, ich stehe unter Mordverdacht«, sagte er kühl.
Roffe stand schwerfällig auf. Er sah bedrückt aus.
»Ich habe einfach eine verdammte Angst gekriegt, als ich erfahren habe, dass du mich in einem so wesentlichen Punkt 322
belogen hattest. Und du weißt ja aus eigener Erfahrung, wie wütend man werden kann, wenn man Angst hat.«
PMs Gesicht war starr und unversöhnlich. »Es wäre gut, wenn du deine Bluthunde jetzt zusammentrommeln könntest«, sagte er schroff. »Ich hab keine Zeit, hier noch länger rumzusitzen. Ich will nach Hause und arbeiten.«
»Wie der Herr wünschen. Ich lasse den Wagen vorfahren«, sagte Roffe und verließ den Raum.
323
26
Mittwoch, 17. Mai
Der Kunsthändler Hans Ramklo aus Eskilstuna hatte einen schweren Tag hinter sich. Als er sich um kurz nach vier in seiner einsamen Villa, die um zahlreiche Möbel und Gegenstände ärmer geworden war, in einen Sessel sinken ließ, fragte er sich, ob sich plötzlich die ganze Welt gegen ihn verschworen habe.
Der Tag hatte bereits auf die schlimmstmögliche Art begonnen. Noch ehe er richtig zu sich gekommen war, hatte ihn seine Freundin Majlis mit hysterischen Vorwürfen überhäuft, die nahtlos an den Streit des vorigen Abends anknüpften. Schon mehrmals hatte sie ihm gesagt, dass sie endgültig genug habe und sofort ausziehen wolle.
Während des Frühstücks hatte sie ihm all seine unerträglichen Eigenschaften an den Kopf geworfen. Im Moment konnte er sich nur noch daran erinnern, dass sie ihm in sexueller Hinsicht ein stupides, geradezu abstoßendes Verhalten bescheinigt hatte.
Eine Aussage, die er nicht nachvollziehen konnte. Im Lauf des Tages hatte er immer wieder darüber nachgegrübelt, doch ihr Vorwurf blieb ihm ein Rätsel.
Als er gegen zehn in sein Geschäft kam und die Post öffnete, musste er einmal mehr einen unheilschwangeren Brief des Finanzamts zur Kenntnis nehmen, und als wäre das nicht schon genug gewesen, hatte er kurz vor Ladenschluss noch überraschenden Besuch bekommen, dessen Konsequenzen er mit Recht fürchtete.
Er fingerte nervös an seinem Handy und schenkte sich, entgegen seiner Gewohnheit und obwohl er nichts zu Mittag gegessen hatte, ein großes Glas Gin ein. Um sich etwas Mut anzutrinken, kippte er den Gin in einem Zug hinunter und wurde 324
sofort von einem stechenden Schmerz in der Magengrube bestraft. Mit
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