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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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an.«
    Als sie am Ende der Lindenallee anhielten, entdeckten sie in einiger Entfernung Nygren, der einen wild kläffenden Dobermann zu einem Zwinger zerrte, der sich an der Giebelseite des Hauses befand. Sein blauer Volvo stand vor dem Eingang.
    Der Kofferraum sowie die Vordertüren waren geöffnet, was darauf hindeutete, dass er soeben nach Hause gekommen war.
    Der Hund hatte ihren Wagen natürlich gesehen und kommen gehört, doch sein Bellen übertönte alle anderen Geräusche, sodass Nygren ihre Ankunft noch nicht bemerkt hatte. Er schrie den Hund wütend an, während er ihn durch ein starkes Eisengitter manövrierte.
    Wagnhärad gab Bergh ein Zeichen, worauf sie beide ausstiegen, gemächlich den großen, runden Hofplatz überquerten und sich diskret umsahen. Das erste Gespräch mit Nygren hatten sie in dem Verwaltungsgebäude geführt, das sich hinter den Schweineställen befand. Hier waren sie nie zuvor gewesen.
    Der Vorplatz vor dem Wohngebäude zeugte von ehemaliger Pracht und Größe. Die hohen, altersschwachen Linden, die auch die Allee säumten, umgaben den gesamten Platz, in dessen Mitte, sicher vor langer Zeit, ein leicht erhöhtes, kreisrundes Blumenbeet angelegt worden war. Dem ein oder anderen robusten Rosenbusch hatte der Zahn der Zeit nichts anhaben können, doch wucherten im Blumenbeet vor allem Löwenzahn, Brennnesseln und anderes Unkraut. In der Mitte des Beets erhob sich eine ramponierte Fahnenstange, die schon lange keine Farbe mehr gesehen hatte. Desgleichen das Haus, das majestätisch den großen Vorplatz dominierte. Die Backsteinfassade war in Würde gealtert, doch die Farbe um Türen und Fenster blätterte bedenklich. Es juckte einen Ästheten 147

    wie Wagnhärad in den Fingern, wenn er daran dachte, was ein bisschen Farbe hier ausrichten könnte. Er stellte sich vor, dass der ursprüngliche Gutsbesitzer, der das großartige Gebäude zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erbauen ließ, nicht nur intakte Beziehungen zu seiner Bank unterhalten, sondern auch manch gute Ernte eingefahren haben musste. An Platz, Material und Qualität schien kein Mangel geherrscht zu haben. Alles sah nach solidem Handwerk aus, das mittlerweile allerdings dem Verfall preisgegeben war.
    »Schöne Anlage, nicht wahr?«, murmelte er, bekam jedoch keine Antwort, weil Bergh all seine Aufmerksamkeit auf Nygrens Kampf mit dem Dobermann richtete.
    Er wandte dem Wohngebäude den Rücken zu und ließ sich erneut von der atemberaubenden Aussicht gefangen nehmen.
    Zumindest diese hatte nichts von ihrer ursprünglichen Faszination eingebüßt, sondern war genauso großartig wie in jedem Frühjahr.
    Sie postierten sich zwischen Eingang und Volvo und erwarteten Nygren, der ihnen ohne das geringste Zeichen eines Wiedererkennens entgegenkam. Erst nachdem er die Wagentüren zugeschlagen hatte, fragte er kurz angebunden:
    »Sie kommen wegen der Leiche?«
    »Ja«, antwortete Wagnhärad. »Wir würden Ihnen gern ein paar weitere Fragen stellen.«
    Nygren sah demonstrativ auf die Uhr.
    »Ich habe nicht viel Zeit. Also vielleicht können Sie’s kurz machen.«
    »Das dürfte kein Problem sein«, erwiderte Wagnhärad entgegenkommend. Nygren öffnete die Tür, und sie betraten die im Halbdunkel liegende, geräumige Eingangshalle. Das Erste, was Wagnhärad ins Auge fiel, war eine interessante Treppe auf der gegenüberliegenden Seite, die sich elegant zum düsteren Obergeschoss emporschwang. Doch ihm blieb keine Zeit, sie 148

    eingehender zu betrachten, da ihr Gastgeber mit raschen Schritten auf eine halb offene Tür zur Linken zusteuerte, hinter der sich eine Art Büro befand.
    Wie man schon hatte vermuten können, machte das Haus auch von innen einen gediegenen Eindruck. Die Türen waren aus Eiche, ebenso wie die fest eingebauten Bücherregale in dem Raum, in dem sie sich nun befanden. Das abgenutzte Parkett war größtenteils von halb ausgepackten Umzugskartons bedeckt, zwischen denen sich Dokumenten- und Bücherstapel türmten.
    Die Regale hingegen waren leer, und die einzigen Möbel in diesem Raum waren ein überladener Schreibtisch sowie ein paar Stühle. Das Ganze machte einen ziemlich provisorischen Eindruck, so als hätte sich der derzeitige Besitzer noch nicht entschieden, ob er bleiben oder weiterziehen wollte. Doch er dachte offenbar nicht daran, den Zustand des Raumes zu erklären oder zu entschuldigen. Wortlos nahm er hinter dem Schreibtisch Platz und wies lustlos auf die beiden anderen Stühle. In diesem Moment klingelte

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