Der leiseste Verdacht
allgemeinen Verfall, den wir in den letzten Jahren mit ansehen mussten.«
»Zu Zeiten deines Onkels war Knigarp wirklich ein Musterhof«, sagte Signe.
Kalle nickte zustimmend. »Ja, Anders Hammar hat das großartig gemacht«, sagte er. »Sicher gibt es viele, die ihn vermissen. Und was für ein Händchen er für die Tiere hatte.«
»Aber er hat sich auch wirklich abgerackert, um den Hof in Schuss zu halten«, warf Signe ein. »Und viel Hilfe hatte er nicht dabei, seit Lilly krank wurde. Seine Söhne haben an Knigarp ja nie Interesse gezeigt. Natürlich hat Nisse ihm mit den Tieren geholfen, aber das ist auch alles. Den Ackerbau hat er selbst betrieben, und ich habe ihm oft gesagt, er solle sich Hilfe holen, aber das hat er nie getan. Er hat es als seine Berufung empfunden, für diesen Hof zu schuften. Ein Jammer, dass seine Söhne ihn nicht übernehmen wollten. So war er gezwungen, ihn zu verkaufen, als er nicht mehr genug Kraft hatte.«
»Das ist ja das Tragische an Knigarp«, pflichtete PM ihr bei,
»dass sich niemand dem Hof wirklich verbunden gefühlt hat, seit Anders ihn verkaufen musste.«
»Außer Nisse«, sagte Kalle. »Er arbeitet doch seit mindestens vierzig Jahren dort und ist auf seine Weise mit ihm verwachsen.«
»Ich wollte dich als Fachmann etwas fragen, Kalle«, begann PM.
»Wie kommt es, dass sich ein Landwirt nach dem anderen an Knigarp versucht hat und niemand lange geblieben ist? Waren die allesamt unfähig, oder liegt es an dem Fluch unserer Tage, der sich Rentabilität nennt? Und wird diese Entwicklung erst enden, wenn alle Gebäude baufällig sind und der Wald die Felder zurückerobert hat?«
»Um Himmels willen, wie sich das anhört!«, rief Signe erschrocken. »So weit wird es schon nicht kommen.«
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PM hatte sich richtig in Fahrt geredet.
»Was muss man denn erwirtschaften, damit so ein Hof nicht völlig auf den Hund kommt?«
Kalle schüttelte bedächtig den Kopf. »Also die ökonomische Seite ist nie meine große Stärke gewesen«, entgegnete er. »Aber wenn man über die nötige Berufserfahrung verfügt und sich nicht auf die faule Haut legt, dann ist es im Grunde nicht allzu schwer, über die Runden zu kommen. Falls man sich nicht völlig verkalkuliert hat, versteht sich.«
»Mir scheint, dass viele Höfe in den letzten Jahren finanzielle Probleme bekommen haben«, sagte Roffe vorsichtig. »Und dass sich die Besitzer förmlich die Klinke in die Hand geben, passiert doch auch anderswo.«
»Sicher«, sagte Kalle. »Aber für mich ist das eben ein typisches Beispiel für die mangelnde Berufserfahrung, von der ich gesprochen habe. Wenn der Kaufpreis schon so überhöht war, dass ein normaler Jahresertrag gerade mal dazu ausreicht, die Hypothekenzahlungen zu leisten und die laufenden Kosten zu decken, dann hat man keinen Handlungsspielraum mehr.«
»Und was hältst du von dieser einseitigen Bewirtschaftung, indem man nur auf die Schweinezucht setzt?«, fragte PM.
Kalle lachte in sich hinein. »Du weißt doch, was ich davon halte. Die Großproduktion soll ja so rentabel sein. Aber wenn die Preise für das einzige Produkt, das man anzubieten hat, sinken, oder wenn das Wetter nicht mitspielt, dann steht man plötzlich mit leeren Händen da. Wie auf Knigarp. Schweine gab es dort schon immer, und lange Zeit waren sie sogar eine bedeutende Einnahmequelle. Jetzt haben sie ungefähr fünfmal so viele Säue, während alle anderen Produktionszweige brachliegen. Worüber ich mich nicht zu beklagen brauche. Ich habe ja schließlich zwölf Hektar ihrer besten Ackerfläche gepachtet und gute Erträge erzielt. Aber die Lage für Knigarp ist schwieriger geworden. Wenn es mit der Schweinezucht 247
irgendwann den Bach runtergehen sollte, warum auch immer, dann können sie das durch nichts ausgleichen.«
Während sich Kalle Svanberg nachdenklich sein Brot mit Fleischwurst schmecken ließ und Signe ihre Gäste nötigte, ordentlich zuzugreifen, starrte ihr Sohn gedankenverloren aus dem Fenster.
»Du meinst also, dass Nygren ein schlechtes Geschäft gemacht hat?«, fragte PM.
»Diese Vermutung liegt zumindest nahe«, antwortete Kalle.
»Als Anders Hammar den Hof zu einem anständigen Preis verkaufte, war er in einem Topzustand. Dann kamen drei Eigentümer nacheinander, die nur ein einziges Interesse zu haben schienen: möglichst viel aus dem Hof herauszuholen, um ihn dann zu einem überhöhten Preis wieder abzustoßen.«
»So ging ein Großteil des Waldbesitzes verloren«, ergänzte
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