Der leiseste Verdacht
außen.«
»Und was hältst du von Annikas Aussage, dass sich Marco und Nygren schon seit Jahren kennen?«
»Das berührt wieder die Frage von Annikas Glaubwürdigkeit, was die Details betrifft. Lasst uns nachdenken. Fermi ist vor ungefähr fünf Jahren nach Schweden gekommen und hat ziemlich rasch geheiratet. Wenn Nygren ihm seinen ersten Job verschafft hat, dann kennen sie sich also ebenfalls seit fünf Jahren. In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Nygren als auch Fermi angegeben haben, Fermi habe den Job durch eine Zeitungsanzeige bekommen, ist das sehr unwahrscheinlich. Die Existenz der Anzeige lässt sich sicherlich überprüfen. Nein, ich vermute, Annika hat da einiges durcheinander gebracht. Sie hat ja selbst gesagt, dass er sie überhaupt nicht in seine beruflichen Angelegenheiten mit einbezieht.«
Katharina schüttelte den Kopf, als könne sie nicht glauben, was sie da hörte.
»Ich verstehe nicht, warum dir Nygren so egal ist«, sagte sie aufgebracht. »Man hat eine Leiche in seiner Jauchegrube gefunden. Er stellt einen Kerl an, der seine Umgebung terrorisiert. Auch wenn Annika manches falsch verstanden haben mag und er Marco nicht von früher her kennt, ja, selbst wenn er von den sadistischen Neigungen seines Vorarbeiters wirklich keine Ahnung haben sollte, bleibt doch ihre Aussage bedenkenswert, dass er die meisten Abende bei Nygren verbringt. Warum tut er das? Um in seiner Freizeit über die 214
Finessen der Schweinezucht zu diskutieren? Dann wird einem Schwein die Kehle durchgeschnitten, und Nygren will davon nichts wissen. Geschehen im Umfeld dieses Mannes nicht allzu viele Merkwürdigkeiten?«
Roffe schwieg und starrte grübelnd in sein Weinglas.
PM sagte lachend: »Katharina hat einen gefürchteten Spürsinn und lässt nicht locker, wenn sie erst mal Witterung aufgenommen hat.« Er wandte sich seiner Frau zu: »Um deine Skepsis gegenüber Nygren verständlich zu machen, solltest du Roffe eigentlich auch in deine anderen Theorien über seine Identität einweihen.«
Katharina zuckte mit den Schultern. »Das kannst du auch machen.«
Roffe schaute sie fragend an. »Was für Theorien?«
PM beugte sich über den Tisch und flüsterte wie ein professioneller Souffleur: »Katharina hat nie geglaubt, dass Nygren ein waschechter Schweinebauer ist. Sie hat immer das Gefühl, er hat sich nur verkleidet. Sie glaubt sogar, dass er unter seiner Arbeitskleidung einen perfekt sitzenden Smoking trägt.«
Roffe brach in Gelächter aus. »Du bist großartig, Katharina«, sagte er. »Großartiger, als du glaubst.«
»Sei dir da nicht so sicher«, entgegnete PM. »Sie weiß, wie großartig sie ist.«
Roffe wurde ernst. Er stützte die Ellbogen auf die Tischkante und legte das Kinn in seine Hände.
»Da gibt es etwas, worüber ich eigentlich kein Wort verlieren sollte«, begann er. »Aber sei’s drum. Ihr habt mich ohnehin schon in eine ganz bestimmte Ecke gedrängt. Ich bitte um eure absolute Diskretion.«
»Ist er ein Vampir?«, fragte PM.
»Das kann ich nicht bestätigen, aber nach dem Fund der Leiche war er natürlich der Erste, um den wir uns gekümmert 215
haben. Wir fragten beim Einwohnermeldeamt nach, um zu erfahren, wo er früher gewohnt hat, doch sie konnten uns keine Auskunft geben. Es lag überhaupt kein Eintrag vor. Ich dachte, dass mit der Datenerfassung bei der Meldebehörde was nicht in Ordnung sei, hatte aber keine Möglichkeit, das nachprüfen zu lassen. Also bat ich das Reichspolizeiamt um Auskunft und erhielt schon wenige Stunden später eine Antwort per Fax. Sie lautete ungefähr so: Die Datenerfassung der Meldebehörde ist in Ordnung. Die betreffende Person ist uns bekannt und kann in den vorliegenden Fall nicht verwickelt sein.«
PM und Katharina waren stumm vor Erstaunen.
PM fand als Erster die Sprache wieder. »Schlagen die immer so einen arroganten Ton an? Und was soll denn das heißen?
›Kann nicht verwickelt sein.‹ Sind wir etwa Nachbarn von Carl Hamilton?«
»Ich zerbreche mir lieber nicht zu sehr den Kopf, was das bedeuten kann«, sagte Roffe. »Doch offenbar handelt es sich um eine Art Identitätswechsel. Und da die Antwort so kategorisch ausfiel, ist Nygren wohl außerhalb jeder Diskussion. Ich hätte euch das nicht sagen sollen. Aber Katharina war ja bereits auf der richtigen Spur.«
PM blickte zu Katharina hinüber, die immer noch sprachlos war.
»Warum sagst du nichts?«, fragte er. »Du hattest doch Recht.
Er ist gar kein Bauer. Du hast ihn
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