Der leiseste Verdacht
Organisation, des so genannten Kreises, stark ausgeweitet und umfasste schließlich zirka zehn Geschäftszweige: Verwaltung weitgehend eigener Immobilien mit den
Unterabteilungen Wohnungsverkauf und Prostitution.
Erpressung von Schutzgeld von Unternehmern, die man zuvor unter Druck gesetzt hatte. Sie bezahlten entweder direkt für ihre Leibwächter oder führten einen bestimmten Teil ihres Gewinns an den Kreis ab. Vermietung der Leibwächter für
Spezialaufträge. Die Leibwächter sorgten persönlich dafür, die Verluste in den Bereichen Kreditvergabe und Glücksspiel zu minimieren. Valuta- und Aktienspekulationen, Aufbau verschiedener Handelsvertretungen, die bei Gelegenheit mit Gewinn wieder abgestoßen wurden. Import und Export von Drogen und Dopingpräparaten. Hehlerei. Handel mit gefälschten Kunstgegenständen und Antiquitäten.
Mårtenssons kriminelle Karriere verlief ohne Zwischenfälle, bis ihm eines Abends im Jahr 1994 in einem Theaterfoyer sein früherer Kompagnon Eskil Krohn die Hand auf die Schulter legte, weil er ihn von hinten erkannt hatte. Als Mårtensson sich umdrehte, betrachtete Krohn verwirrt das ihm unbekannte Gesicht und entschuldigte sich für die Verwechslung. Kurze Zeit später kursierten dennoch Gerüchte, Harald Mårtensson sei in Stockholm gesehen worden. Entweder hatte Krohn sie in Umlauf gebracht, oder andere Personen hatten ihn von hinten erkannt. Er erstattete dem Hauptquartier Bericht und bat um Versetzung, erhielt jedoch die Order, sich vorerst ruhig zu verhalten und abzuwarten, bis man eine neue Identität für ihn organisiert hätte.
Zu seinen Arbeitsaufgaben in Stockholm gehörte auch die Weiterleitung von Berichten, die er von Hans Sjöström, dem früheren Mitarbeiter des Reichspolizeiamtes, erhielt. Die Berichte bezogen sich auf einen verdeckten Ermittler, der von Interpol in den Kreis eingeschleust worden war. Der Maulwurf war also enttarnt, doch zog man es zunächst vor, ihn zur 482
gezielten Desinformation zu benutzen, anstatt ihn unschädlich zu machen. Als die Leitung des Kreises beschloss, sich den Maulwurf vom Hals zu schaffen, gab man diesem das Gefühl, er müsse fliehen, um nicht enttarnt zu werden. Der Kreis rechnete damit, dass die schwedische Polizei dem Mann zu dessen Schutz einen sicheren Zufluchtsort und eine neue Identität verschaffen würde. Von dieser neuen Identität sollte Carlström profitieren, indem er gegen ihn ausgetauscht wurde. Durch Sjöströms Bericht war der Kreis detailliert über die Geheimoperation der schwedischen Polizei informiert und wusste, dass der ehemalige verdeckte Ermittler unter dem Namen Bengt Nygren am Abend des dreißigsten September auf Hof Knigarp, seinem
Zufluchtsort, eintreffen würde.
Gemäß seiner Order bezog Carlström zusammen mit einem professionellen Killer am Vorabend seinen Posten auf dem einsamen Hof. Ihr Auto stellten sie an einem kleinen Waldweg in der Nähe des Hofes ab. Es wurde von dem »Spezialisten«
wieder mitgenommen, nachdem dieser seinen Auftrag
ausgeführt hatte. Carlström war jetzt Bengt Nygren.
Marco Fermi kam wenige Tage später mit einem Lieferwagen nach Knigarp und brachte neben erforderlichen Unterlagen auch Carlströms Hund Cäsar mit.
Seit mehreren Jahren hatte Carlström ein zweites Handy, das offiziell einem Frührentner aus Göteborg gehörte, der für das rechtzeitige Bezahlen der Rechnungen großzügig entlohnt wurde. Das Handy diente der Kommunikation mit seinen Vorgesetzten und Untergebenen. (Nach demselben Muster kommunizieren die meisten Mitglieder des Kreises.) Seine Anweisungen erhielt er durch codierte Postkarten, auf denen die Telefonnummern genannt waren, die er anrufen sollte. Diese Methode wurde angewandt, wenn er Bericht erstatten oder umfassende Instruktionen erhalten sollte.
Mitte November erhielt er die Order, pro forma in der Zeitung zu inserieren, dass er einen Vorarbeiter suche. Anstellen sollte er 483
Marco Fermi, der ihm als Kontaktperson dienen und ihn unterstützen sollte. Fermi zog Anfang Januar mit seiner Frau in eine Dienstwohnung auf Knigarp ein.
Nachdem Nils Hallman Nygrens Leiche entdeckt hatte, musste Carlström Anzeige erstatten. Eine Woche später erfuhr er während einer Polizeibefragung von einem Brief, der auf die Möglichkeit hindeutete, bei der Leiche könne es sich um Axel Hemberg handeln. Er hörte auch, dass Marianne Wester in Stockholm ermordet worden war. Carlström vermutete, der Brief diene der Absicht, seinem Nachbarn Patrik
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