Der leiseste Verdacht
kam. Natürlich ist er sofort zu Nygren gelaufen, um ihm von dem schrecklichen Fund zu berichten. Nygren hat ihn zum Stall begleitet und sich mit eigenen Augen davon überzeugt, dass jemand dem Eber den Hals durchgeschnitten hat. Es war das reinste Blutbad. Sogar die Wände waren voll gespritzt.
Natürlich war Nygren erzürnt, doch anstatt die Polizei zu verständigen oder zumindest seinen Vorarbeiter zu rufen, hat er Nisse angewiesen, den Eber sofort zu begraben. Als Nisse Einwände erhob und sagte, man müsse die Polizei verständigen, ist Nygren richtig aus der Haut gefahren. Er meinte, die Polizei habe schon lange genug auf seinem Hof herumgeschnüffelt. Er wollte nicht, dass irgendjemand von dem Vorfall erfährt. Nisse hat lange weiter auf ihn einzureden versucht. Ich glaube, er fühlte sich persönlich betroffen. Die Eber haben ihm doch immer besonders am Herz gelegen, und voller Stolz hat er mir öfter gesagt, es seien wirklich prächtige Tiere, noch dazu in den besten Jahren. Schließlich hat er Nygrens Anweisung befolgt und auf dem schmalen Waldstreifen hinter den Schweineställen ein tiefes Loch ausgehoben. Später ist dann Marco aufgetaucht, und gemeinsam haben sie den Eber in die Grube geworfen.«
»Aber hat Nisse nicht zu Nygren gesagt, dass er Marco für den Täter hält?«
»Ich glaube, er hat sich nicht getraut, Marco offen anzuklagen.
Wenn’s drauf ankommt, zieht Nisse ja meistens den Schwanz 206
ein. Aber er ist davon überzeugt, dass auch Nygren Marco für den Täter hält.«
Katharina starrte Patrik unverwandt an. »Ich verstehe das alles nicht«, sagte sie. »Natürlich ist es Marco gewesen, das erklärt auch Annikas Bericht von den blutigen Kleidern. Aber warum nur?«
»Nisse glaubt, dass der Angriff ihm selbst galt. Du weißt doch, dass die beiden sich nicht ausstehen können. Er behauptet, Marco habe ihn schon mehrfach bedroht.«
»Dieser Mann ist unberechenbar. Ich werde keine ruhige Minute mehr haben, solange der hier frei herumläuft. Und Nygren traue ich alles zu. Annika hat erzählt, dass Marco abends meist mit Nygren zusammensitzt, bevor er nach Hause kommt und sie schlägt. Es kann doch nicht sein, dass Nygren davon nichts weiß. Dieser Kerl ist mir nicht geheuer. Wenn er weiß, dass Marco den Eber getötet hat, und die Tat trotzdem verschweigen will, dann versucht er offensichtlich, Marco zu schützen. Vielleicht ist Marco sein Liebhaber.«
Eine Hypothese, die PM zum Lachen brachte.
»Du scheinst wirklich verliebt in die Idee zu sein, dass die beiden ein Verhältnis haben«, sagte er.
»Ich weiß nicht, ob sie ein Verhältnis haben, aber irgendwie stecken sie unter einer Decke. Sie kennen sich doch schon lange.«
PM schüttelte den Kopf. »Wie kommst du denn darauf? Sie kennen sich erst seit vier Monaten. Du hast doch sicher gehört, dass Nygren annonciert hatte und Marco sich um Weihnachten herum um den Job beworben hat.«
»Ja, ich habe gehört, wie Marco das gesagt hat. Aber da glaube ich eher Annika, die behauptet, dass Nygren Marco schon vor Jahren seinen ersten Job in Schweden beschafft hat.«
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PM schwang die Beine über die Bettkante und stand auf. Er nahm das Tablett und ging zur Tür.
»Ich rufe Roffe an«, sagte er.
»Warum?«, rief Katharina ihm nach.
Er drehte sich im Türrahmen um.
»Weil mich interessiert, was für Informationen die Polizei über Marcos Anstellung bei Nygren besitzt.«
Katharina warf die Decke zur Seite und war im Nu ebenfalls auf den Beinen.
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte sie. »Verrate ihm noch nichts am Telefon, sondern bitte ihn, hierher zu kommen. Sag ihm einfach, wir hätten einige interessante Neuigkeiten zu berichten.«
»Vielleicht hat er anderes zu tun, als uns hier draußen zu besuchen.«
Katharina schien plötzlich in Gedanken versunken, als versuche sie, ein Problem zu lösen. Dann leuchtete ihr Gesicht auf.
»Lammkoteletts! Ich habe wunderbare Lammkoteletts in der Tiefkühltruhe, und frischen Thymian gibt es auch schon. Haben wir noch einen guten Wein?«
»Ein paar Flaschen Ruffino.«
»Sag ihm, dass er ein wunderbares Abendessen serviert bekommt. Ich werde eine Zitronentorte zum Kaffee backen. Er liebt meine Zitronentorte. Er muss nur Kartoffeln mitbringen, weil wir keine mehr haben. Außerdem wär’s gut, wenn er hier übernachtet, dann können wir jedenfalls richtig Wein trinken.
Erinnere ihn, eine Zahnbürste mitzunehmen.«
PM trug das Tablett hinaus und hörte Katharina rufen: »Ich dusche jetzt.
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