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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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eine jede mit einem Schleifchen um den Hals und einem Blumensträußchen im Schnabel. Da war auch eine Holztür, worauf eine lange Reihe bunter Herzchen gemalt war. Neben dem Haus umsäumte ein Schilfzaun einen winzigen Flecken, auf dem eine kleine Schar Gänse friedlich mit Hühnern am Boden pickte. Auf der anderen Seite des Zauns lag eine Lichtung, die eingefasst war von einem abscheulichen, widerwärtigen Palisadenzaun aus alten, verrosteten Lanzen, zugespitzten Holzpfählen, Brombeergestrüpp und Dornen, in Abständen darin zwei Schilderhäuschen für die Wachsoldaten. Auf der Lichtung bot sich dem jungen Elfen ein merkwürdiger Anblick: Eine Schar Kinder, mager, zerlumpt, schmutzig und alle gleich gekleidet, war dabei, in dem sumpfigen Erdreich sehr lange Gräben auszuheben.

KAPITEL 14
    A ngst hatte von der Welt Besitz ergriffen. Alle schienen verrückt geworden zu sein. Wieder war in Daligar ein Drache mit einem Elfen auf dem Rücken aufgetaucht und hatte das gesamte Federvieh der Grafschaft vernichtet. Tausende und Abertausende toter Hühner lagen auf einem Haufen, umschwirrt von Fliegenschwärmen und umgeben von einem Gestank nach Fäulnis und Verwesung. So lautete jedenfalls das allgemeine Gerücht.
    Robi war noch nie in Daligar gewesen, weil ihr Papa und ihre Mama es stets gemieden hatten, aber Glamo, eines der größeren Kinder, ein langer, schlaksiger Kerl, dem die schwarzen Haare ins Gesicht fielen, kam von dort; er sagte, dass es in Daligar überhaupt keine Hühner mehr gebe, weil der Verwaltungsrichter sie nicht haben wollte, sie brächten Unordnung auf die Straßen. Ein paar waren noch übrig, aber nur im oberen Teil der Stadt, dem verrufensten Ort in der ganzen Grafschaft, wo sogar die Soldaten sich lieber selten blicken ließen. Aber auch da waren es nur einige wenige Hühner, man konnte sie an einer Hand abzählen, auf keinen Fall so viele, dass sie einen Haufen ausgemacht hätten, alle zusammengenommen hätten sie vielleicht einen Sack gefüllt. Das Problem war, dass Glamo der größte Lügenerzähler war, den es gab. Er war der Sohn eines Landstreicherehepaars, das von Markt zu Markt gezogen war, um seinen Trödel zu verkaufen, bis die Kälte eines besonders strengen Winters und der Husten sie ums Leben gebracht hatte, und wie alle Landstreicher bildete Glamo sich ein, alles zu wissen, weil er viel gesehen hatte, und war fest davon überzeugt, die anderen seien so blöd, alles zu glauben, was er erzählte.
    Er war es, der behauptete, es gebe nur noch ein einziges lebendes Huhn in Daligar, dem niemand wagte, den Hals umzudrehen, weil es ein besonderes Huhn war, ein magisches Huhn, das schon tot gewesen und wieder zum Leben erweckt worden war.
    Glamo war schon mehrmals verprügelt worden von Leuten, denen seine blöden Märchen auf die Nerven gingen, vor allem von Creschio und Moron, er aber beharrte auf seiner Geschichte von dem Huhn von Daligar, das ins Reich der Toten eingegangen und wiedergekehrt war, wenn er nicht seine anderen Lügen und Märchen auftischte, so zum Beispiel, dass in Daligar die Pflanzen das ganze Jahr hindurch blühten, oder von dem Mal erzählte, als er einem Troll und zwei Riesen begegnet war, die friedlich zusammen als Holzfäller arbeiteten und seinem Vater geholfen hatten, seinen Karren zu reparieren. Zum Dank hatte ihnen sein Vater einen halben Schinken geschenkt, und den hatten sie, bevor sie ihn verzehrten, eingegraben und wieder ausgegraben. Auch für diese Geschichte hatte Glamo Prügel bezogen …
    Selbst wenn man Glamos Erzählung nicht trauen wollte, die Geschichte von den Bergen toter Hühner ergab wirklich keinen rechten Sinn. Wenn der Drache tatsächlich haufenweise Hühner getötet hatte, warum konnten sie sie dann nicht aufessen, statt sie verfaulen zu lassen? Oder sie ihnen geben: Im Waisenhaus wären sogar Hühner mit Maden darin gegessen worden. Diese Geschichte von den Bergen ermordeter und verfaulender Hühner, die die Luft verpesteten, schien vom selben Schlag wie die Legende von der Entführung Iomirs.
    Den kursierenden Gerüchten zufolge war der Drache von der Ehrengarde des Verwaltungsrichters angegriffen worden, die ihn nach erbittertem Kampf, blutüberströmt und tödlich verletzt, in die Flucht geschlagen hatte, aber offenbar genesen Drachen noch schneller von tödlichen Wunden als Kinder von Blasen an den Händen, das Untier war nämlich immer noch imstande gewesen, über das Waisenhaus wegzufliegen und dann abzuziehen, schnell, kraftvoll und

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