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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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wen eine Spur von Steinchen zu hinterlassen? Zu welchem Zweck?«
    »Um den Weg zurück nach Hause zu finden. Das war ein Kind. Auch ich habe, als ich von dort weggegangen bin, wo Großmutter wohnte, mit Steinen eine Spur gelegt, um wieder hinzufinden. Der Regen hat sie weggespült und bestimmt waren sie schon nach einem halben Tag verschwunden. Das sind Sachen, die macht ein Kind, wenn es gezwungen ist, einen Ort zu verlassen, und das nicht will. Es streut Steinchen aus, um den Weg wiederzufinden, und das gibt ihm Sicherheit. Oder es kann davon träumen, wieder heimzufinden. Wenn dir alles Angst macht, brauchst du, mehr noch als etwas zu essen, einen Traum. Für uns ist das jetzt ein Wegweiser. Wir müssen ihm zu Fuß folgen. Die Steinchen sind zu klein, von oben sieht man sie nicht.«
    »Bist du sicher? Ich hasse Gehen. Drachen gehen nicht. Sie lieben das Gehen nicht. Sie sind dazu imstande, natürlich, aber allein der Bau der Kniegelenke und die Stellung der Mittelfußknochen...«
    Der Mond schien. Vor ihnen öffnete sich ein Weg, der bald breiter wurde. Die Steinchen lagen im Gras neben dem Weg, sodass sie nicht mit denen auf dem Weg verwechselt werden konnten. Da waren sie, alle gleich, alle rund und sehr weiß. Das Kind, das sie ausgestreut hatte, musste Jahre damit zugebracht haben, sie am Meer und am Flussufer zu suchen und zu sammeln. Gesammelt und gehütet als Schatz, den es dann auf dem Weg ausgestreut hatte, als Unterpfand für den Traum, heimkehren zu können.
    Anfänglich führte der Pfad von den Schattenbergen weg, in Richtung Daligar, dann aber bog er nach Osten ab. Die Steinchen begannen, seltener zu werden, als ob die Person, die sie austeilte, beschlossen hätte, sparsamer mit ihnen umzugehen. Immer weniger und immer seltener. Der Drache jammerte unentwegt über Schmerzen in den Hinterbeinen, ganz zu schweigen von denen im Rücken, und führte aus, wie eindeutig überlegen das Fliegen dem Gehen sei. Und in der Tat, so großartig seine Flügel waren, wenn er sie am Himmel ausspannte, so sehr erinnerte sein Gang an den eines Huhns.
    Gegen Morgen ging der Mond unter. Steinchen gab es jetzt nur noch an den sehr seltenen Kreuzungen oder Weggabelungen, um die richtige Richtung anzuzeigen. Sie lagen ein paar Schritte hinter der Kreuzung am Wegrand, sodass es keinen Zweifel geben konnte.
    Die aufgehende Sonne glänzte auf einem letzten Steinchen, das auf einen schmalen, morastigen und von Brombeergebüsch halb überwucherten Pfad wies. Dann gab es keine Steinchen mehr, sie standen vor einem Sumpfgelände. Mückenschwärme empfingen sie. Die Sonne stieg höher und mit dem Tageslicht erwachten auch die Fliegen.
    Mühsam stapften sie vorwärts, das Gelände war vollkommen sumpfig.
    Endlich tat sich eine Art von Tal vor ihnen auf und im Hintergrund sahen sie, halb im Morast versunken, eine Behausung aus Lehm und Ästen, und, nach dem Geruch zu urteilen, auch aus Kuh- und Ziegendung. Es gab keine Fenster. Nur eine Holztür mit einem Riegel daran.
    »Es sind keine Steinchen mehr da«, sagte Yorsch, »irgendwo sind wir angekommen.«
    »Gut«, erwiderte der Drache, »das ist eine gute Nachricht. Meine Hinterpfoten fühlen sich an wie Würste auf dem Grill, die Knie knacken wie ein Bündel Reisig, das einen Abhang hinunterrollt, vom Rücken ganz zu schweigen. Mein Magen rumort wie der Wind in den Lärchenwipfeln. Wir können uns hier niederlassen, uns ausruhen, schlafen und wieder zu Kräften kommen. Besser noch: Ich lasse mich nieder, ruhe mich aus, schlafe und komme wieder zu Kräften, während du nachschauen gehst, um was es sich handelt.«
    Yorsch war extrem müde, aber keine Müdigkeit hätte ihn aufhalten können. Der Drache duckte sich unter zwei große Eichen im oberen Teil des winzigen Tals, und es gelang ihm, sich vollkommen der Landschaft anzupassen. Durch den langen Nachtmarsch war er völlig verstaubt, und während er sich ausstreckte, kamen auch noch Schlammflecken hinzu. Die komplizierten Muster, die seine Schuppen auf dem Rücken bildeten, worin sich verschiedene Grüntöne abwechselten, machten es noch schwerer, den Drachen von den Sumpfwiesen zu unterscheiden.
    Der junge Elf ging auf die Hütte zu. Ab und zu sah er sich um, um zu prüfen, ob der Drache auch wirklich gut verborgen war. Als er näher kam, bemerkte er, dass neben der Hütte ein reizendes Häuschen aus entzückendem weißen und rosa Stein stand, mit einem Tragbalken aus Granit, in den eine lange Reihe von winzigen Enten eingeritzt war,

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