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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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ESKO
    U nd dann halten sie an einer Tankstelle.
    »Soll ich dir was mitbringen?«
    »Kaugummi.«
    »Was zu trinken?«
    Mona schüttelt den Kopf, ihr kurzes Haar fächert auf und kommt wieder zur Ruhe. Esko steigt aus dem Wagen und streckt sich. Er hat sich an den Verkehr und das Fahren gewöhnt, fühlt sich aber noch immer unwohl in der Kleidung. Seine eigenen Bewegungen kommen ihm fremd vor, als wäre er nur zu Besuch in seinem Körper.
    Er geht um den Wagen herum und dreht den Tankdeckel ab.
    Die Dämmerung hat eingesetzt, die Nacht ist so nahe, dass Esko ihre Dunkelheit schmecken kann. Er erinnert sich, als Zeit keine Bedeutung hatte. Ein Tag begann, ein Tag endete. Jetzt hat Zeit einen Namen und eine Form, sie wird gemessen und in ihre Grenzen gewiesen. Esko hat das Gefühl, als würde ihm jeder Moment durch die Finger fließen.
    Autos fahren vorbei, ein Raubvogel kreist über den Baumwipfeln, die Wolken erinnern an wütende Fäuste, der Wagen vibriert leicht. Esko legt eine Hand auf das Dach und spürt den Herzschlag der Musik. Die Bässe hämmern. Monas Beine sind angezogen, ihre Schuhe drücken gegen das Armaturenbrett, ein Zeigefinger trommelt den Rhythmus auf ihr Knie. Mona wirkt zerbrechlich und verloren, wie ein zehnjähriges Mädchen eben wirkt, wenn sie kein Zuhause mehr hat.
    Der Zapfhahn klackt, Esko hängt ihn an die Säule und schraubt den Tankdeckel wieder fest. An der Kasse kauft er Kaugummi und Wasser. Die Kassiererin sieht ihn an und sieht an ihm vorbei. Sie könnte ihn nicht beschreiben, auch die Kameras sind nutzlos. Unscharf.
    »Wäre das alles?«
    »Das wäre alles.«
    Als er den Shop verlässt, hat Mona die Musik leiser gestellt und ihr Fenster runtergelassen. Eines der Mädchen steht auf der Beifahrerseite. Esko erkennt sie wieder, aber ihr Name fällt ihm nicht ein. Das Mädchen steht einfach nur da, die Arme wie zwei magere Äste an ihrem Körper. Sie ist barfuß und trägt einen verdreckten Schlafanzug. Ihr langes Haar bewegt sich nicht in der Windbrise, die für einen Moment wie eine kühlende Hand über die Tankstelle streicht. Esko atmet die Kühle tief ein. Er riecht das Meer und die sich langsam nähernde Nacht, er sieht durch das Mädchen hindurch Monas schräg gelegten Kopf und wartet. Mona hört zu, schließlich nickt sie. Es ist ein gutes Zeichen, sie sind noch immer auf dem richtigen Kurs.
    Esko geht um den Wagen herum und steigt ein.
    »Wir müssen dann weiter«, sagt Mona zu dem Mädchen.
    Esko startet den Motor. Das Mädchen hat die Hand zum Abschied gehoben. Esko sieht das alles nur aus den Augenwinkeln. Er hat dazugelernt und vermeidet es, genau hinzuschauen. Das letzte Mal tränten seine Augen eine halbe Stunde lang.
    Der Wagen rollt von der Tankstelle.
    »Was hat sie gesagt?«, fragt Esko.
    »Sie sagte, wir sind zu langsam.«
    »Ich kann nicht schneller fahren.«
    »Ich weiß.«
    Die toten Mädchen sind ihre Wegweiser. Sie stehen auf Brücken und am Straßenrand und erinnern an fahle Striche in der Landschaft. Und immer haben sie den Kopf gesenkt und immer haben sie den rechten Arm ausgestreckt und weisen ihnen die Richtung.
    »Sie hat auch gesagt, wir können die Überfahrt erst am Morgen machen«, spricht Mona weiter.
    »Aber dann verlieren wir einen ganzen Tag.«
    »Dann verlieren wir einen ganzen Tag«, stimmt ihm Mona zu und beendet das Gespräch, indem sie die Musik wieder aufdreht. Der Beat, der Rhythmus.
    Esko fährt auf die Autobahn und drückt das Gaspedal durch.
    Natürlich kommen sie zu spät.
    »Ich hab’s doch gesagt.«
    Esko flucht und parkt den Wagen direkt an der Anlegestelle. Nachdem er sich erkundigt hat, wann die nächste Fähre geht, steigt er wieder ein und wendet. Sie fahren die Küstenstraße einige Kilometer zurück und finden einen verlassenen Rastplatz, von dem ein Weg zum Meer hinunterführt. Die Hitze hat nachgelassen, der Wind ist kühl und salzig. Sie sind erschöpft und setzen sich an einen Steintisch und sind einfach nur ein übermüdetes Mädchen und ein übermüdeter Mann auf einem Rastplatz. Doch das ist eine Lüge. Esko sieht aus wie Anfang zwanzig, er ist aber so alt, dass die Gegenwart ihn ignoriert. Mona dagegen ist wirklich erst zehn.
    Ein Handy liegt zwischen ihnen auf der Tischplatte.
    Sie haben einen Plan und sind sich beide nicht sicher, ob er funktionieren wird.
    Die Uhr auf dem Handy zeigt 23:57.
    Sie wissen einfach zu viel, als dass sie tatenlos bleiben können.
    »Lass uns beginnen«, sagt Esko und stützt die Unterarme

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