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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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zu legen, also blieb er, wo er war.
    Die Augen fielen mir zu.
    Nichts folgte.
    Der Comic lag wie ein müder Nachtfalter auf meiner Brust.
    Hob und senkte sich.
    Hob und senkte sich.
    Hob und …
    Stille.
    Es war vorbei.
    Mein Vater rief gegen neun hoch, dass das Frühstück bereitstehen würde. Um elf räumte er den Tisch ab. Ich hörte nicht, wie er das Haus verließ, ich hörte nicht, wie er zurückkehrte, das Knallen der Garagentür, das Gespräch mit dem Nachbarn, der Heuschnupfen hatte und sich alle zwei Minuten die Nase schnäuzen musste, nichts drang zu mir durch, nicht einmal das Sirren des Rasensprengers oder die lärmenden Kinder von nebenan, die einander mit Wasserpistolen durch den Garten jagten.
    Ich schlief den Schlaf des Erschöpften.
    Als ich gegen drei erwachte, war die Sonne ums Haus geschlichen und mein Zimmer lag im kühlen Schatten. Ich fühlte mich normal. Kein Fieber, nichts. Dieses gute Gefühl hielt eine Minute lang. Ich lag auf der Seite, blinzelte den Torbogen an und freute mich, dass Samstag war und ich mein Referat abgeschlossen hatte. Dann erinnerte ich mich an die Mail und ein Zittern überkam mich. Ich sah auf meine Hand und das Zittern verschwand.
    »Ich lebe!«, sagte ich leise und stellte mir vor, wie ich Lars davon erzählte: Also, ich wollte wach bleiben, versteht du, denn so eine Mail kann einen schon unruhig machen, aber natürlich bin ich weggepennt und dann …
    Ich war mir jetzt sicher, dass die Mail von Hannes kam. Er war als Einziger durchgeknallt genug, sich so einen Mist auszudenken. Wahrscheinlich hatte meine ganze Klasse dieselbe Mail erhalten. Auf jeden Fall würde ich mir in der Schule nichts anmerken lassen.
    Who’s the king?
    I am the king.
    Ich wollte aufstehen, ich wollte mich aus dem Bett rollen, es ging nicht. Ich klebte an der Matratze fest und holte Schwung, und beim zweiten Mal kam ich wackelig auf die Beine, schwankte und stand vorgebeugt neben dem Bett, Hände auf den Knien, tief Luft holend. Mir war schwindelig, helle Punkte tanzten vor meinen Augen und explodierten lautlos. Es gab keine Zweifel mehr. Das musste eine Grippe sein.
    Ich war in dem Moment so naiv, dass ich mich im Nachhinein dafür schäme. Ich war wie ein Idiot, der vor einer Wand steht und sich wundert, wo denn die Wand ist. Da war ein dumpfes Gefühl in meinem Inneren, als würde etwas fehlen. Damals dachte ich an Melancholie, damals dachte ich, vielleicht vermisse ich Rike. Ich hatte keine Ahnung, was mir wirklich abhanden gekommen war, und ein Mädchen passt immer ganz gut in die Gleichung.
    Ich tat den ersten Schritt.
    Meine Waden waren verkrampft wie nach einem Fünftausend-Meter-Lauf, und die Ellenbogen schmerzten, als hätte ich mich in der Nacht gestoßen. Ich stöhnte laut auf. Das tat gut. Ich war ein uralter Sechzehnjähriger. Ich stöhnte noch mal und verließ das Schlafzimmer, sah meine Klamotten auf dem Boden liegen und stieg drüber hinweg und ging ins Bad. Erst dort kapierte ich, dass eine Grippe mein allerletztes Problem war.
    »Oh Scheiße.«
    Ich trug eine von diesen albernen Shorts, die mir mein Vater zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Garfield hatte die Krallen ausgefahren und grinste mich im Spiegel an, ich grinste nicht zurück. Mein Oberkörper war nackt, die Haut erschreckend blass, kein einziges Haar wuchs auf meiner Brust. Ich begegnete meinem Blick im Spiegel, wie ich dem Blick eines Irren begegnen würde, der mit einer bluttriefenden Machete vor mir steht. Ich seh da jetzt nicht noch mal hin , sagte ich mir, während meine Augen schon höher wanderten und ich wieder hinsah.
    »Oh Scheiße.«
    Es war ein Wunder, dass ich vorhin überhaupt aufstehen konnte. Meine Hand griff nach hinten, die Federn waren warm und glatt. Wenn ich meine Hand gegen den Strich bewegte, fühlten sie sich rau an. Ich rüttelte am linken Flügel und schrie auf. Ein Ziehen war von der Wirbelsäule zum Steißbein hinuntergewandert und hatte mir Tränen in die Augen getrieben.
    Ich schaute über meine Schulter.
    Die Flügel reichten von meinen Ohren bis fast zum Boden und liefen Zentimeter über meinen Fersen in einer Spitze zusammen. Einige der Federn waren weiß, der Großteil war grau. Ich kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf.
    Mann, reiß dich zusammen, das ist nicht echt, das ist nur ein Fiebertraum und gleich wirst du aufwachen und …
    Als ich wieder hinsah, waren die Flügel noch immer an Ort und Stelle.
    Ich stützte mich mit den Händen auf dem Waschbecken ab und

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