Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Einleitung
Der Verfasser glaubt, in dem Texte der folgenden Erzählung und den begleitenden Anmerkungen den Schauplatz derselben genügsam beleuchtet, ebenso dem Leser die zum Verständnis der meisten einzelnen Anspielungen erforderliche Belehrung in hinlänglichem Maße gegeben zu haben. Immer aber herrscht noch soviel Dunkelheit in den indianischen Überlieferungen und soviel Verwirrung in den indianischen Namen, dass einige Erläuterungen willkommen sein dürften.
Bei wenig Menschen findet man eine größere Verschiedenheit, wir möchten sagen, größere Widersprüche der Gemütsart, als bei dem eingeborenen Krieger von Nordamerika. Im Kriege ist er unternehmend, prahlerisch, verschmitzt, grausam, rachsüchtig, voll Selbstverleugnung und Aufopferung; im Frieden gerecht, edelmütig, gastfreundlich, bescheiden, abergläubisch und insgeheim keusch. Diese Eigenschaften zeichnen zwar nicht alle in gleichem Grade aus, bilden aber so hervorstechende Züge bei diesen merkwürdigen Völkern, dass man sie charakteristisch nennen darf.
Man ist allgemein der Ansicht, dass die Ureinwohner des amerikanischen Festlands asiatischer Abkunft seien. Viele Tatsachen, sowohl im physischen als im sittlichen Gebiete, bestärken diese Meinung, und nur wenige fallen scheinbar in die entgegengesetzte Waagschale.
Die Farbe des Indianers ist, wie der Verfasser glaubt, ihm eigentümlich; und wenn seine Backenknochen sehr auffallend das Gepräge tartarischen Ursprungs tragen, so ist dies bei den Augen nicht der gleiche Fall. Das Klima dürfte auf erstere großen Einfluss gehabt haben; aber es ist schwer abzusehen, wie es bei den letzteren einen so wesentlichen Unterschied bewirkt haben soll. Die Bildersprache des Indianers ist in Dichtung und Rede morgenländisch: beschränkt, und vielleicht zu ihrem Vorteil beschränkt durch den engeren Kreis seiner praktischen Kenntnisse. Er nimmt seine Bilder von den Wolken, den Jahreszeiten, den Vögeln, den Vierfüßern und der Pflanzenwelt. Hierin tut er vielleicht nicht mehr als ein anderes tatkräftiges und phantasiereiches Volk auch tun würde, wenn es in dem Walten seiner Einbildungskraft durch den Kreis der Erfahrung in Schranken gehalten wird; aber der nordamerikanische Indianer kleidet seine Gedanken in ein Gewand, das zum Beispiel von dem des Afrikaners zu sehr abweicht und in sich selbst zu viel Morgenländisches hat, als dass es nicht auffallen müsste. Seine Sprache hat ferner ganz den Reichtum und die gedankenreiche Fülle der chinesischen; er gibt einen Satz mit einem Wort und bestimmt den Sinn eines ganzen Satzes durch eine Silbe: Ja er drückt verschiedene Bedeutungen durch die einfachsten Biegungen der Stimme aus.
Sprachforscher, welche viel Zeit auf ihre Studien verwandt haben, behaupten, dass die vielen zahlreichen Stämme, welche früher das Gebiet der Vereinigten Staaten bewohnten, eigentlich nur zwei oder drei Sprachen geredet hätten. Die jetzigen Schwierigkeiten des Verständnisses der Völker untereinander sind nach ihnen in Sprachverderbnis und Mundarten zu suchen. Der Verfasser erinnert sich, der Zusammenkunft zweier Häuptlinge der großen Prärien westlich vom Mississippi beigewohnt zu haben, bei welcher ein Dolmetscher, der beide Sprachen redete, zugegen war. Die Krieger schienen im besten Vernehmen unter sich und sprachen viel miteinander, und doch verstand nach der Versicherung des Dolmetschers keiner ein Wort von dem, was der andere sagte. Sie waren von feindlichen Stämmen, und nur der Einfluss der amerikanischen Regierung hatte sie einander genähert. Merkwürdig ist jedoch, dass eine gemeinsame Politik beide auf denselben Gegenstand führte. Sie forderten sich gegenseitig zum Beistand auf, falls die Wechsel des Krieges die eine oder die andere Partei in die Hände ihrer Feinde brächte. – Welche Bewandtnis es nun auch mit dem Ursprung und dem Genius der indianischen Sprachen haben mag, eine Verschiedenheit in einzelnen Wörtern derselben liegt jetzt außer allem Zweifel, welche fast alle Nachteile von fremden Sprachen mit sich führt: Daher die Schwierigkeit, die Geschichte zu studieren, und die Unzuverlässigkeit ihrer Überlieferungen.
Gleich Völkern, die höhere Ansprüche machen dürfen, erzählt auch der amerikanische Indianer die Geschichte seines Stammes oder Geschlechts ganz anders als andere Völker. Er überschätzt gerne seine eigenen Vorzüge und schlägt diejenigen seines Nebenbuhlers oder Feindes geringer an; ein Zug, der vielleicht die mosaische
Weitere Kostenlose Bücher