Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Buches offenbart sich am Schicksal derjenigen, die von der Versöhnung ausgeschlossen sind und der gewaltsamen Umwandlung von Natur- in Kulturland im Wege stehen: dem alten Mohikanerhäuptling Chingachgook als letztem Repräsentanten der Indianer und seinem Freund, dem in diesem Buch ebenfalls schon betagten Jäger und Fallensteller Natty Bumppo, der am Ende des Buches weiter gen Westen zieht. Das Schicksal Lederstrumpfs ist es in der gesamten ihm als tragender Gestalt gewidmeten Romanserie – The Last of the Mohicans (1826; Der letzte Mohikaner , 1826), The Prairie (1827; Die Prärie , 1827), The Pathfinder (1840; Der Pfadfinder , 1840) und The Deerslayer (1841; Der Wildtöter , 1841) –, die Wildnis für die Siedler zu öffnen, deren Lebensweise ihm dann die Existenzgrundlage raubt. Wie die Indianer nutzt er die natürlichen Ressourcen nur für den Eigenbedarf; dies aber ist nicht mit dem Privatbesitz vereinbar, der zwar Fortschritt bringt, doch die als gleichsam mythisch gezeichnete Welt einer Harmonie von Mensch und Natur vernichtet. Diese mythische Welt findet ihren deutlichsten Ausdruck in The Last of the Mohicans , das einige Jahrzehnte früher, während der Kolonialkriege, spielt. Da die indianischen Stämme von Engländern und Franzosen in wechselnden Allianzen instrumentalisiert werden, sind die Themen Verrat und undurchschaubare Fremdheit zentral. Dazu trägt die endlose und undurchdringliche Wildnis bei, in der die durchreisenden weißen Protagonisten verloren sind. Nur die diesem Bereich zugehörigen Figuren, die Mohikaner als stereotype »edle Wilde« und ihre blutrünstigen irokesischen Widersacher sowie Natty finden sich hier zurecht. Flucht und Verfolgung dominieren die Handlung. Uncas als letzter Hoffnungsträger der Mohikaner und sein dämonischer Gegenspieler, der Hurone Magua, konkurrieren um die Offizierstochter Cora, die ihrerseits ein Quentchen »schwarzes Blut« in sich hat. Diese Auseinandersetzung gewinnt heroische Proportionen und ist weit interessanter als die konventionell-sentimentale Verbindung von Coras blonder Schwester mit einem jungen Offizier. Uncas’ Liebe hebt ihn über den Status des »edlen Wilden« noch hinaus und macht ihn den Helden der klassischen Antike ähnlich. Doch er wie Cora und Magua finden den Tod, ein symbolisches Ende, denn darin wird deutlich, dass die Rassenschranken in Amerika nicht überwunden werden können – eine Verbindung der zeitlos-mythischen mit der historischen Welt im Sinne der Schaffung einer neuen Menschheit aus der Synthese der besten Eigenschaften aller Ethnien scheitert. Dass die Indianer nicht entwicklungsfähig seien, war damals verbreitete Ansicht und bildet eine der Grundlagen des Romans über die Siedlungsgrenze, eine Gattung, die C. recht eigentlich begründet hat. Weitere Elemente dieser Frühform des Western sind der nicht in die Gesellschaft integrierbare weiße Held und die Einteilung der Indianer in eine gute und eine böse Gruppe. Die Gestalt des Lederstrumpf selbst ist in die neue Mythologie der amerikanischen Kultur eingegangen als edler Helfer und Retter, als Mittler zwischen »Weiß und Rot«, der die Naturnähe der Indianer teilt, aber zugleich die Werte des christlichen Abendlandes verkörpert. Allerdings repräsentiert er nur ein Übergangsstadium in einer von C. stärker als von seinen Nachfolgern als ambivalent empfundenen Geschichte der amerikanischen Nation.
Werkausgabe: The Writings. Hg. J. F. Beard u.a. Albany, NY, 1980ff.
Helmbrecht Breinig
Aus: Metzler Lexikon Weltliteratur. Herausgegeben von Axel Ruckaberle (ISBN 978-3-476-02093-2). © 2006 J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH, Stuttgart
Impressum
Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Coverillustration: Thomas Cole/Fenimore Art Museum, Cooperstown/Bridgeman Art Library, Berlin
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
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ISBN 978-3-10-401205-6
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