Der Leuchtturm am Ende der Welt
Reling hinaus.
»Stopp!… Stopp!… Vorsichtig!« rief er Kongre zu.
Die Goelette schwamm jetzt gegenüber der Höhle, die der Bande so lange als Zufluchtsort gedient hatte.
Nahe bei ihr trieb, von der Strömung dem Meere zu getragen, ein Bruchstück des Kiels von der ›Century‹ hin. Ein Zusammenprall damit hätte üble Folgen haben können, und es war schon hohe Zeit, von dieser Trift klar zu kommen.
Kongre legte das Steuerruder dazu ein wenig nach Backbord um. Die Goelette drehte bei und glitt so längs des Kielstückes hin, das ihren Rumpf nur ganz schwach streifte.
Das kurze Manöver hatte zur Folge, daß die ›Carcante‹ sich dem nördlichen Ufer noch etwas mehr näherte, doch wurde sie baldigst wieder in die frühere Richtung gebracht. Etwa noch zwanzig Toisen, dann war die Ecke des Steilufers passiert und Kongre konnte das Steuerruder nachlassen und einen Kurs nach Norden einschlagen.
In diesem Augenblicke zerriß die Luft ein scharfes Pfeifen und der Rumpf der Goelette erzitterte unter einem Stoße, dem ein donnernder Knall folgte.
Gleichzeitig stieg vom Ufergelände ein weißlicher Rauch auf, der, vom Winde getrieben, nach dem Innern der Bucht abzog.
»Was war das? rief Kongre bestürzt.
– Man hat auf uns geschossen, antwortete Carcante.
– Hier… nimm du das Ruder!« befahl Kongre.
Damit stürmte er schon nach Backbord, und über die Reling hinunterblickend, bemerkte er, kaum einen halben Fuß über der Schwimmlinie, ein Loch in der Schiffswand.
Die ganze Mannschaft war ebenfalls nach derselben Seite am Vorderteil der Goelette geeilt.
Ein Angriff, der von dieser Seite des Ufers erfolgt war!… Eine Kanonenkugel, die im Augenblicke der Abfahrt in die Flanke der ›Carcante‹ eingeschlagen war, und die, wenn sie das Schiff nur etwas tiefer unten getroffen hätte, es unausweichlich hätte zum Sinken bringen müssen. So wie jedermann auf der Goelette über einen solchen Angriff erschrocken war, empfand jeder fast noch mehr die ganz unerwartete Überraschung.
Kongre und die meisten der Leute waren an Bord. (S. 150.)
Was konnten aber Kongre und seine Gefährten dagegen tun? Die Seisinge des Bootes schießen lassen, sich einschiffen und vielleicht an das Land eilen, dahin wo der Pulverdampf aufgestiegen war, dort sich derer zu bemächtigen suchen, die den Schuß abgefeuert hatten, oder sie wenigstens von dieser Stelle vertreiben? Doch wußten sie denn, ob die Angreifer ihnen gegenüber nicht in der Mehrzahl wären, und erschien es nicht ratsamer, jetzt nicht vom Schiffe wegzugehen und zuerst den Umfang der Beschädigung zu untersuchen?
Das erwies sich um so dringender, als die Karonade kurz darauf noch einmal Feuer gab. Wieder erhob sich eine Rauchwolke an derselben Stelle. Die Goelette erhielt einen zweiten Stoß… wiederum war sie von einem Geschosse dicht hinter dem ersten getroffen worden.
»Das Ruder in den Wind legen!… Die Segel umstellen!… Fertig zum Wenden!« schrie Kongre, während er nach dem Hinterteile auf Carcante zustürmte, der seinen Befehlen schleunigst nachzukommen bemüht war.
Sobald das Steuer umgelegt war, luvte die Goelette an und neigte sich über Steuerbord. Nach kaum fünf Minuten entfernte sie sich schon von dem gefährlichen Ufer und befand sich bald außer Schußweite von dem Geschütz, das auf sie gerichtet war.
Von einem weitern Schuß war übrigens nichts zu hören. Der Strand lag bis zur Spitze des Kaps öde und verlassen da, man durfte also annehmen, daß sich der Angriff nicht erneuern werde.
Jetzt galt es vor allem, den Zustand des Rumpfes zu untersuchen. Von innen her wäre das kaum ausführbar gewesen, weil dann erst die Fracht umgeladen werden mußte. Nur über eines herrschte von vornherein kein Zweifel: daß die beiden Kugeln die Seitenwand durchschlagen und sich im Frachtraume irgendwo verloren hatten.
Das Boot wurde also klar gemacht, während die ›Carcante‹ gegenbraßte und nur von dem sinkenden Wasser etwas weiter geführt wurde.
Kongre und der Zimmermann stiegen ins Boot hinunter und besichtigten den Rumpf, um zu erkennen, ob die Havarie an Ort und Stelle ausgebessert werden könnte.
Dabei sahen sie, daß zwei etwa vierpfündige Geschosse die Goelette getroffen und die Bordwand durchbohrt und teilweise zerschmettert hatten. Zum Glück waren die lebenswichtigsten Teile des Schiffes verschont geblieben. Die beiden Löcher befanden sich oberhalb des kupfernen Bodenbeschlags und sehr nahe an der Schwimmlinie. Nur wenige
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