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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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angerufen —
viermal. Sie schien recht empört, daß du nicht da warst. Sie ist es allmählich
leid, immer nur allein in deiner Wohnung herumzugehen.«
    »Ach?« meinte ich. »Sonst noch
etwas?«
    »Ein kleiner Vogel hat
angerufen — so jedenfalls hörte es sich an. Der Vogel heißt Kasplin .«
    »Was wollte er denn?«
    »Er sagt, er habe dir versprochen,
dich heute früh anzurufen und mit dir einen Termin zu vereinbaren. Ich erklärte
ihm, du seist unterwegs, worauf er nochmals anzurufen versprach. Ich erklärte
ihm, nach fünf werde er dich ganz bestimmt erreichen.«
    »Prima«, sagte ich. »Das wär’s?«
    »Sonst war nichts«, bestätigte
sie. »Darf ich jetzt gehen?«
    »Der einzige Grund, den ich
dagegen anführen könnte, würde dich wahrscheinlich auch nicht aufhalten«, sagte
ich ehrlich. »Was treibst du eigentlich den ganzen Tag, wenn ich nicht hier
bin?«
    »Ich spiele mit mir selber
Sechsundsechzig«, meinte sie lässig. »Ich gewinne eine ganze Menge, aber ich
mogele auch ein bißchen dabei. Gute Nacht, Danny.«
    Als sie weg war, verfügte ich
mich in mein Zimmer, klappte die Aktentasche auf und legte den Umschlag auf den
Schreibtisch. Er enthielt drei kleinere Kuverts. Auf dem ersten stand »Rex Tybolt «. Ich öffnete es, und zutage kamen die hübschen
Schnappschüsse aus Acapulco, Negative und Abzüge. Es eignete sich wohl nichts
davon für einen Nachruf, deshalb verschloß ich den Umschlag wieder.
    Auf dem zweiten Kuvert stand
»Margot Lynn«. Ich fischte einige Zeitungsausschnitte heraus, die alle von dem
losen Treiben einer jugendlichen Sünderin namens Janie Rigowski berichteten. Ich studierte sie mit wachsendem Interesse. Margot war wirklich
ein böses kleines Mädchen gewesen — und so aktiv.
    Die beiden ersten Kuverts
hatten nichts erbracht, was auch nur einen vagen Hinweis auf den Mörder geben
konnte. Meine Hoffnung konzentrierte sich auf das dritte Kuvert, denn nach
allem, was ich in den letzten paar Tagen von Donna Albertas täglichem Leben
gesehen und gehört hatte, mußten Harveys Spürhunde schon sehr tief geschürft
haben, wenn sie tatsächlich etwas entdeckt haben sollten, womit sich die
Primadonna erfolgreich erpressen ließ.
    Ich warf einen flüchtigen Blick
auf die Maschinenschrift des Umschlags und hatte ihn schon halbwegs
aufgeklappt, ehe das Gelesene bis in mein Gehirn vordrang. Vielleicht war der
Stenotypistin ein Fehler unterlaufen? Aber ein zweiter Blick bestätigte, daß der
Name gar nicht »Donna Alberta« lautete. Da stand: » Kasplin .«
    Aus dem Kuvert fielen ebenfalls
Zeitungsausschnitte auf den Tisch. Sie stammten alle aus dem Herbst vor zehn
Jahren. Damals hatte Kasplin sich anders genannt:
»Little Joey, das Musiklexikon im Taschenformat.«
    Neben den Zeitungsausschnitten
fanden sich zwei Reklamezettel, die eine Art Wanderzirkus ankündigten. Little
Joey wirkte dabei als allwissender Zwerg mit, der jede Frage des Publikums zum
Thema Musik beantworten konnte und sich außerdem erbot, jede Melodie zu
erkennen, wenn man ihm die ersten drei Takte vorpfiff .
    Die Ausschnitte entstammten
Provinzblättern des Mittleren Westens. Ein Angehöriger des Wanderzirkus war
überführt worden, von einem Mädchen der Truppe Geld kassiert zu haben, das die
Dame mit vorwiegend horizontaler Tätigkeit erworben hatte. Also schuldig der
Zuhälterei; aber der Knüller der Story waren die Fotos, die großformatig auf
den ersten Seiten der Blätter erschienen waren. Sie zeigten die beiden armen
Sünder Seite an Seite — Little Joey war 1,35 Meter groß, so besagten die Texte
darunter, während das Mädchen, eine überentwickelte, leicht schlampige
Blondine, genau einsachtzig maß.
    Kasplin hatte Bewährung bekommen, weil
er nicht vorbestraft gewesen war und weil, so nahm ich an, der Richter gewiß
Mitleid mit einem Menschen empfunden hatte, der mit dem Verstand und den
Trieben eines normalen Mannes, aber mit der Gestalt eines Zwergs geboren worden
war.
    Er wirkte grotesk. Selbst der
Blick auf die zehn Jahre alten Zeitungsbilder verursachte einen gelinden
Schock: der interessante Charakterkopf, das hübsche Gesicht mit den
ausgeprägten Linien — und darunter die Figur eines Gnoms .
    Harveys Schnüffler hatten
wirklich tief gegraben — und hatten dabei ein Nugget gefunden. Wenn Donna Alberta
auch nur einen Blick auf diese Ausschnitte warf, bedeutete es das Ende von Kasplins Managertätigkeit und das Ende seiner Karriere bei
der Oper und sonstiger seriöser Musik.
    Ich zündete mir eine

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