Der Mann im Karton
flüchtig mit den
Schultern, wobei der Crêpe hübsch raschelte.
»Es ist auch noch nicht
garantiert, daß Sie ihn heute abend kennenlernen«,
meinte sie. »Daß er die Party gibt, bietet noch keine Gewähr für seine
Anwesenheit. Paul hat viel Sinn für Schabernack — wenn er überhaupt erscheint,
dann wahrscheinlich spät und mit großem Hallo. Möglicherweise läßt er sich von
zwei Feuerwehrleuten begleiten, die
Wohnung und Gäste mit einem
vierzölligen Schlauch überschwemmen. Für solche Scherze ist Paul immer zu
haben, und wenn Sie ihm eine ganz besondere Freude bereiten wollen, dann
brechen Sie sich einfach den Arm an drei verschiedenen Stellen.«
»Hört sich an, als sei er ein
wirklich toller Zeitgenosse«, pflichtete ich bei. »Hoffentlich erspare ich mir
seine Bekanntschaft.«
»Es muß jetzt gleich elf sein«,
sagte sie. »Er bestand darauf, daß alle um elf hier sein müßten. Daraus folgere
ich, daß sein großer Auftritt bald erfolgt — wenn überhaupt. Aber nun müssen
Sie auch die anderen Gäste kennenlernen, Mr. Boyd — und am besten etwas
trinken, damit ihre Nerven für Paul gewappnet sind.«
Margot Lynn ging ins Wohnzimmer
voran, ich folgte getreulich. Eine Wand bestand aus Glas, durch das ein
Panoramablick auf den East River zu bewundern war. Die übrigen Wände waren mit
gerahmten Programmplakaten der verschiedenen Inszenierungen geschmückt, die
Paul Kendall geprägt hatte — von Opern bis zu Musicals und ein paar
Schauspielen.
Wir blieben an der Bar stehen,
und die Mezzosopranistin wartete, während ich mir einen ausführlichen Daiquiri bereitete; dann geleitete sie mich zum
nächststehenden Paar und begann mit der Vorstellung.
»Dies ist Mr. Boyd«, sagte sie
und gähnte fast dabei. »Ein Unikum. Er behauptet, mit Kasplin befreundet zu sein.«
»Ich weiß«, sprach Helen Mills
leise und betrachtete mich durch ihre dicken Gläser, als sei ich der Wurm in
ihrem Apfel. »Wir sind uns bereits begegnet.«
»Wie Sie das sagen, meine
Liebe, hört es sich an, als habe es sich um eine Verführung gehandelt«, sagte
Margot Lynn mit erwachendem Interesse in der Stimme. »War Mr. Boyd etwa der
erste Mann, dem es gelang, Sie im Sturm zu erobern, Helen? Dafür gebührt ihm
ein Orden.«
»Seien Sie doch etwas
geschmackvoller, Margot, bitte«, sagte Helen Mills, und ihre Stimme bebte.
»Können Sie denn nicht eine Unterhaltung ohne Sex führen?«
»Tut mir leid, Darling«, sagte
Margot leichthin. »Ich vergesse halt immer wieder, daß Sie ja bei einer Dame
angestellt sind. Kennen Sie Mr. Tybolt schon, Mr.
Boyd?« Sie ließ mir gar keine Zeit für eine Antwort. »Natürlich nicht, Sie gehen
ja nicht in die Met. Rex ist ein Bariton, und all diese hübschen Muskeln sind
echt — hat er mir gesagt.«
Tybolt war ein großer Kerl mit
Mordsbrustkasten und einem Gesicht, wie man es in Magazin-Inseraten für
Bodybuilding-Geräte zu sehen kriegt. Aber wenn man ein bißchen genauer hinsah,
dann erkannte man die leichten Schwellungen unter den Augen und das Weichwerden
der Kanten, wo sein Kinn sich zu vervielfältigen begann.
»Freut mich, Boyd«, sagte er
jovial und volltönend. »Machen Sie sich nichts aus Margot — sie ist immer etwas
sauer, wenn der Geliebte nicht rechtzeitig auf der Szene erscheint.«
»Wie ich höre, hat Paul Kendall
viel Sinn für ausgefallene Scherze«, sagte ich, um Konversation zu machen.
»Tja«, sagte Margot trübsinnig,
»amüsiert euch, Kinder. Ihr seht aus, als gescheht ihr euch gegenseitig ganz recht.«
Sie wandelte quer durchs Zimmer
zu Donna Alberta, die — in ein prächtiges Gewand aus Silberlamé gekleidet — sich angeregt mit einem hochaufgeschossenen Südländer unterhielt,
der aussah, als sei er Rex Tybolt Pfund für Pfund
gewachsen — auf jeder Badezimmerwaage. Wie sich die männliche Konkurrenz hier
häufte, hätte man meinen können, an einem Muskelmännerstrand und nicht am
Sutton Place zu sein.
»Sie ist wundervoll, diese
Margot«, sagte Rex Tybolt wohlwollend. »Und so
scharf. Ich glaube, es war nur zu ihrem Vorteil, daß sie mit Kendall geschlafen
hat, hm?«
»Rex — bitte!« sagte Helen
Mills atemlos. »Sie sind genauso schlimm wie Margot. Können wir denn nicht über
andere Dinge reden?«
»Treten Sie mit Donna Alberta
zusammen in >Salome< auf?« fragte ich Tybolt .
»Gewiß.« Er nickte. »Ich gebe
den Johannes — und verliere meinen Kopf!« Er wollte sich ausschütten vor
Lachen.
»Ich entsinne mich«, sagte ich.
»Salome weigert sich zu
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