Der Mann im Karton
‘s
»Boyd genießt den Ruf,
erfolgreich zu sein, wenn man ihn auch nicht gerade taktvoll nennen kann«,
erklärte Kasplin spitz. »Möchten Sie sich jetzt
vielleicht einen Drink mixen, Earl?«
»Etwas Besseres bleibt mir ja
nicht zu tun«, meinte Harvey gleichgültig. »Sie haben den Herrschaften grünes
Licht für diese Party gegeben, und von mir aus können sie sich auch ruhig einen
andudeln — aber gesungen wird nicht! Sie kriegen einen Haufen Geld — mein Geld!
— dafür, daß sie ihre Stimmbänder in der Second Avenue strapazieren, und ich
möchte nicht, daß sie anderswo gratis singen.«
Kasplin zuckte zusammen. »Ich hab’s
ihnen deutlich genug erklärt«, flötete er. »Sie dürfen trinken, sich prügeln
und gernhaben — aber auf keinen Fall singen.«
»Richtig.« Harvey starrte ihn durchdringend
an, aber er konnte an Kasplins Maske der vollendeten
Höflichkeit nichts aussetzen. »Also, okay, dann hole ich mir jetzt ein
Gläschen.«
Er schritt gelassen zur Bar,
und ich sah Kasplin ungläubig an.
»Ist der echt?« fragte ich
heiser. »Ist das der Mann, der die Menschen mit Opern beglücken soll — ein
richtiger Impresario?«
»Man kann es mit der Angst
kriegen, nicht wahr?« pflichtete der geschäftstüchtige Zwerg bei. »Aber die
Verträge sind schon vor zwei Monaten unterzeichnet worden, und in drei Tagen
ist Premiere — folglich müssen wir gute Miene zum bösen Spiel machen.«
»Soviel ich gehört habe, ist es
ihm nur ein einziges Mal mißlungen , eine Schau zu
veranstalten — und das war, als er den Madison Square Garden nicht für ein
internationales Ringerturnier bekommen konnte«, sagte ich nachdenklich. »Die
russischen UN-Delegierten sollten dabei die eine Mannschaft abgeben — und die
amerikanischen die andere.«
»Seien wir froh, daß es ihm mißglückt ist«, meinte Kasplin bissig. »Das Ergebnis wäre gewiß nicht regulär gewesen!«
Der Ebenholzstock pausierte ein
paar Augenblicke, derweil die silberne Büchse wieder in Aktion trat. Ich
zündete mir eine Zigarette an, während Kasplin sein
graues Pulver nach strengem altem Brauch vom Handrücken schnüffelte.
»Hat Paul Kendall sich
eigentlich schon sehen lassen?« fragte er unvermittelt.
»Ich habe nichts davon
bemerkt«, sagte ich. »Vielleicht ist ihm etwas Besseres eingefallen, als er
hörte, daß Harvey zur Party kommen werde.«
»Nein.« Er schüttelte bedächtig
den großen Kopf. »Auf solche guten Einfälle kommt Paul nicht, fürchte ich.
Seine Abwesenheit läßt wieder einen seiner schrecklich dummen Scherze
befürchten — seien Sie also nicht überrascht, wenn man uns allesamt unter der
Beschuldigung verhaftet, wir hätten ein Bordell besucht — oder etwas ebenso
Komisches. Paul ist innerlich noch ein Lausejunge.« Er dachte einen Augenblick
darüber nach. »Ein bitterböser Lausejunge, leider Gottes.«
»Wie meinen Sie das genau?«
forschte ich.
»Was ich Sie heute abend beobachten lassen wollte, sind vor allem
gewisse zwischenmenschliche Beziehungen«, antwortete er langsam. »Margot Lynn
war seine Geliebte, von dem Augenblick an, als das Ensemble zusammengestellt
wurde. Es ist ein bekannter Charakterzug Pauls, daß er mit der weiblichen
Hauptdarstellerin schlafen muß. Aber vor zwei Wochen verlor er plötzlich jedes
Interesse an ihr, was Margot sehr mißfällt .«
»War er sie leid?« fragte ich.
»Oder hat er eine andere Partnerin aufgetan?«
»Sein ganzes Augenmerk gilt
seither Donna Alberta«, berichtete Kasplin ohne
sonderliche Teilnahme. »Paul macht ihr den Hof nach Strich und Faden.«
»Mit Erfolg?« fragte ich so
nebenbei.
»Natürlich nicht!« schnauzte er
eisig. »Ich weiß ganz genau, daß sie seine sämtlichen Annäherungsversuche
strikt zurückgewiesen hat.«
»Meinen Sie, daß Kendall den
armen Hund so zugerichtet hat?«
»Da denke ich eher noch an
Margot Lynn«, antwortete er ruhig. »Aber es gibt noch mehr Verdächtige. Auch
Rex Tybolt hat versucht, bei Donna zu landen — mit
der gleichen Hartnäckigkeit und genauso erfolglos wie Paul Kendall. Und die
harmlose kleine Maus mit den großen Augen dürfen wir auch nicht außer acht lassen.«
»Helen Mills?«
»Helen ist Donna Alberta
überaus zugetan«, sagte er und lächelte dünn. »Der Mann, der ihren Beifall
fände, müßte erst geboren werden.«
Margot Lynn tauchte plötzlich
neben mir auf und unterbrach unser Gespräch.
»Hallo, Kasplin «,
sagte sie ohne jede Begeisterung. »Ich nehme an, Sie haben Paul auch
Weitere Kostenlose Bücher